Entstehungsgeschichte des Riesengebirgsliedes
(Verfasser: Hella Tegeler)
Quellen:
- Schlesischer Gebirgsbote
- Wikipedia
- Zeitschrift "Riesengebirgsheimat" Jahrgang 1950
Eine schlichte Weise, die in guten und schlechten Zeiten die Schlesier und Sudentendeutschen wie ein treuer Freund begleitet, ist des Riesengebirglers Heimatlied. Zwei Lehrer, beide Söhne der schönen Gebirgsheimat, haben das Lied im Jahre 1914 geschaffen. Othmar Fiebiger schrieb die Worte, Vinzenz Hampel vertonte das Gedicht.
In der Zeitschrift "Riesengebirgsheimat" (Jahrgang 1950), berichtete der Komponist Vinzenz Hampel über die Entstehung des Liedes:
"Fiebiger erzählte gerne, wie er auf einer Kammwanderung in der gemütlichen Peterbaude eingekehrt war, wo - wie immer - die Zither klang und die Gäste manches Lied mitsangen, aber keines vom Riesengebirge dabei war. Er schlich hinaus in die Bergeinsamkeit und schrieb im Anblick der wunderbaren Bergwelt:
"Bloe Berche, grüne Täler
mitta drin a Heisla kleen,
herrlich is dos Stückla Erde,
und ich bin ja dort drheem."
Und noch am selben Abend las er seinen Freunden dieses kurze Gedicht in der Baude vor. In seinem Gedächtnis klangen die Zeilen weiter und gingen ihm nicht aus den Ohren. Auf einer versteckten Bank am Turnplatz der Anseither Waldschule wurde aus den wenigen Zeilen in kurzer Zeit das Heimatlied mit folgendem Urtext:
"Bloe Berche, grüne Täler
mitta drin al Heisla kleen,
herrlich is dos Stückla Erde
und ich bin ja dort drheem.
als ich einst eis Lond gezoga,
ho`n die Barch mir nochgesahn,
mit dar Kendhet, mit dar Jugend,
wusste nee, wir mir geschahn:
O mei liewes Riesageberche,
wu die Elbe su hemlich rennt,
wu dar Rüwazohl mit sen` Zwercha
heit noch Saga on Märlan spennt:
meine lewe Hemert du!
Is mir gutt on schlecht gegonga,
ho` gesonga on gelocht;
doch ei` moncha bonga Stunda
wiedo hem eis Elternhaus,
hielts`s nee mehr vür lauto Sehnsucht
bei dan fremda Leita aus:
O mei liewes Riesageberche................usw.
On kemmt`s emol zom Begrowa,
mücht ich eiern Wella tun:
ock dos Ene, jo dos Ene:
Loßt mich ei do Hemert ruhn.
Wird der Herrgott dann` druf frocha
uwa noch`m Hemertschein,
zieh` ich doitsch on stolz on fredich
flugs ei`s Himmelreich dann nei`:
Bin aus`m liewa Riesageberche..............usw.
Diese Dialektdichtung wurde im Jahre 1914 in der Festschrift des Trautenauer Gesangvereins "Harmonie" anlässlich seines achtzigjährigen Bestehens erstmalig abgedruckt.
Im Frühling 1914 übernahm ich eine neue erzieherische Aufgabe in dem aufstrebenden Bergstädtchen Hohenelbe und trat dort in kunstfreundliche Kreise ein. Die "Liedertafel" stand unter den strebsamen Obmännern Fritz Plech und später Dr. Hubert Schrimpl über dem Niveau der Gesangvereine.
Der erste Weltkrieg brach aus. Die Reihen der Sänger lichteten sich. Um den restlichen Chor beisammen zu halten, sorgte man für eine gemütliche Nachprobe. Für diesen kleinen Kreis vertonte ich Fiebigers Dichtung vom Riesengebirge. Ich hatte das Lied für mich, für meine Singstimme, geschrieben und dachte nicht daran, dass es einmal in die Welt ziehen könnte. Als ich das Lied das erste Mal den Freunden vorsang, war der Erfolg unerwartet günstig. Einige Urlauber, die damals zufällig anwesend waren, gestanden mir ihre tiefe Rührung ein. In den folgenden Nachproben musste ich immer wieder das Lied singen. Bald verlangten die Sänger, das Lied vierstimmig zu singen. Ich schrieb es für Männerchor mit Baritonsolo, und so wurde es Mitte März 1915 erstmalig öffentlich aufgeführt.
in Hohenelbe und Umgebung war das Lied zu einer Volksweise geworden, lange bevor es gedruckt wurde. Um das Jahr 1920 erschien das Lied in Liederbüchern. Daraufhin wurde die Klavierausgabe einem Musikverlag angeboten, der es mit der Begründung ablehnte, dass ein Heimatlied nur einen kleinen Abnehmerkreis habe. Da gab ich im Selbstverlag eine Liedkarte und die Ausgabe für Gesang und Klavier heraus. Ich konnte beobachten, wie in Nordböhmen eine Stadt nach der anderen von dem Lied erobert wurde und wie es auch über die Berge hinüber nach Schlesien drang".
Damit das Lied nicht nur die Einheimischen singen sollten, hat Othmar Fiebiger seine Dialektdichtung ins Hochdeutsche übertragen und wenige Jahre später fand das inzwischen zum Volkslied avancierte Heimatlied der Riesengebirgler seinen Einzug ins Liederbuch des Deutschen Sängerbundes.
Blaue Berge, grüne Täler, mittendrin ein Häuschen klein.
Herrlich ist dies Stückchen Erde und ich bin ja dort daheim.
Als ich einst ins Land gezogen, ha`n die Berg` mir nachgesehn,
mit der Kindheit, mit der Jugend, wußt` selbst nicht, wie mir geschehn.
O mein liebes Riesengebirge,
wo die Elbe so heimlich rinnt,
wo der Rübezahl mit seinen Zwergen
heut` noch Sagen und Märchen spinnt.
Riesengebirge, deutsches Gebirge, meine liebe Heimat du!
Ist mit gut und schlecht gegangen, hab` gesungen und gelacht,
doch in manchen bangen Stunden hat mein Herz ganz still gepocht.
Und mich zog`s nach Jahr und Stunden wieder heim ins Elternhaus,
hielt`s nicht mehr vor lauter Sehnsucht bei den fremden Leuten aus.
O mein liebes Riesengebirge.................usw.
Heilge Heimat! Vater! Mutter! Und ich lieg` an ihrer Brust
wie dereinst in Kindheit Tagen, da vom Leid ich nichts gewusst;
wieder läuten hell die Glocken, wieder streichelt ihre Hand,
und die Uhr im alten Stübchen tickt wie grüßend von der Wand:
O mein liebes Riesengebirge..............usw.
Und kommt`s einstens zum Begraben,
mögt ihr euren Willen tun.
Nur das eine, ja das eine: Laßt mich in der Heimat ruhn!
Wird der Herrgott mich dann fragen oben nach dem Heimatschein,
zieh` ich stolz und freudig flugs ins Himmelreich hinein.
bin aus dem lieben Riesengebirge..................usw.
Statt Riesengebirge, "deutsches Gebirge", wird heute meistens "schönes" Gebirge gesungen. Jeder wie er möchte.
Othmar Fiebiger wurde am 21. April 1886 in Altenbruch im Riesengebirge geboren und wurde nach einer frohen Jugend in der schönen Landschaft des Riesengebirges nach seinem Studium Lehrer im sudentendeutschen Anseith. Nach der Vertreibung begann er in einem kleinen Ort bei Erfurt mit einem Neuanfang seiner beruflichen Laufbahn. Da er in der früheren DDR jedoch ständigen Repressalien ausgesetzt war, entschloss er sich zu einem erneuten Wohnortwechsel. Sein Weg führte ihn in die Bundesrepublik. In Bensheim an der Bergstraße fand er eine neue Bleibe. Othmar Fiebiger starb im Jahre 1982 in Bensheim und mit den Klängen seines Liedes wurde er zur ewigen Ruhe gebettet.
Vinzenz Hampel wurde am 29. Januar 1880 in Mastig bei Arnau, Bezirk Hohenelbe, geboren. Auch er wurde Lehrer und wirkte zunächst in Hohenelbe, Harta und Tschermna. Im Jahre 1915 wurde ihm die Leitung des "Schwachsinnigen-Heims" in Hohenelbe übertragen, das 1918 in eine Erziehungsanstalt für verwahrloste, schwer erziehbare und psychopathische Knaben umgewandelt wurde. Der Schwerpunkt von Hampels eigener Lehrtätigkeit lag in der Sprachheilpädagogik, erfolgreich war besonders seine Behandlungsmethode des Stotterns. Das Heim sowie ein angeschlossenes Studentenheim für Zahlzöglinge leitete Hampel bis zu seiner Pensionierung 1936.
In Hohenelbe war Hampel Chormeister des Gesangsvereins "Liedertafel", für den er auch Texte heimischer Dichter und eigene Dichtungen vertonte. Sein größter Erfolg war aber das "Riesengebirgslied".
Nach der Vertreibung kam er mit seiner Familie zunächst nach Thüringen. Später siedelte er über Berlin nach Altbach am Neckar um. Dort starb er am 27. Juni 1955.
Othmar Fiebiger (21.04.1886 - 23.02.1972)
Vinzenz Hampel (29.01.1880 - 27.06.1955)
Die Peterbaude - Entstehungsort des "Riesengebirgsliedes"
Die Peterbaude - Innenansicht