Der Landeshuter Galgen und die Abdeckerei
(Verfasser: Hella Tegeler)
Quellen:
- Dr. Wojtucki, Daniel: Dissertation - Der Scharfrichter und seine Arbeit in Schlesien, Oberlausitz und Grafschaft Glatz vom frühen 16. bis Mitte des 19. Jahrhunderts
- Duma/Dr. Wojtucki: Die Abdeckerei und die Hinrichtungsstätte u. a. in Kamienna Góra (Landeshut), 2019
- Hayn, Carl Friedrich Wilhelm: Denkwürdigkeiten Landeshuts und einiger benachbarter Orte (1821)
- Schwanitz, Jürgen: Galgenberg/Kamienna Góra entdeckt (Schlesischer Gebirgsbote 12/2012)
1. Der Galgen:
In den Jahren ab 2012 forschte Herr Dr. Daniel Wojtucki (Universität Breslau) mit Archäologen und Historikern von der Gesellschaft für den Schutz und die Erforschung von juristischen Denkmälern (SOIBZP) nach Überresten von Hinrichtungsstätten u. a. auch in Landeshut, und sie wurden fündig.
Anhand von Karten aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und einer Abbildung - Stich von Friedrich Bernhard Werner, 1738 - war man auf die mutmaßliche Lage des Galgens auf dem Galgenberg gestoßen. Die exakte Bestimmung der Lage war jedoch nicht so einfach, weil sich bei Grabungen herausstellte, dass der frühere Galgen nicht auf dem Berggipfel stand, sondern an seinem nördlichen Rand auf einer kleinen unscheinbaren Anhöhe inmitten von Wiesen.
Der Galgen stammt vermutlich aus dem 16. oder frühen 17. Jahrhundert. Der Landeshuter Chronist Carl Friedrich Wilhelm Hayn erwähnt in seinem Buch "Denkwürdigkeiten Landeshuts und einiger benachbarter Orte" eine Renovierung im Jahr 1731, nachdem das Bauwerk inzwischen wohl einige Schäden durch Witterungseinflüsse genommen hatte. Die Fertigstellung der Sanierung wurde damals mit einem eindrucksvollen Fest durch die Bevölkerung begangen. Laut Hayn gestaltete sich dieses Fest wie folgt: "In demselben Jahre den 28. Mai wurde das hohe Gericht aufs neue bestätiget und renovirt. Die Bürgerschaft zog in einem großen Aufzuge (mein Tagebuch sagt in einem pompösen) bis zum Galgen, in dessen Nähe 7 bis 8 Buden errichtet waren, wo man Erfrischungen aller Art zu kaufen bekam. Wie ganz anders wird jetzt gedacht. Verschwunden ist 1820 das Schaudern erregende, die Menschheit entehrende dreisäulige Gemäuer, dem man ehedem zu Ehren Aufzüge widmete."
Der Galgen war massiv aus Steinen in runder Form mit einem Durchmesser von 6 m und einem Zugang mit einer massiven Holztür ins Innere gemauert. Er hatte drei aus dem Ring aufstrebende Steinsäulen, die im Dreieck durch Holzbalken miteinander verbunden waren, an denen man auch mehrere Delinquenten gleichzeitig bzw. auch zu unterschiedlichen Zeiten (längerfristig) aufhängen konnte. Dieser Galgen diente im Jahr 1593 auch als Vorbild für den Bau des Schömberger Galgens (siehe bei Schömberg).
Im Jahr 1820 wurde aufgrund eines Stadtverordnetenbeschlusses entschieden, den Galgen abzureißen. Er wurde jedoch nicht vollständig abgebaut, sondern lediglich die Säulen entfernt und die Konstruktion des zylindrischen Brunnens zwei Fuß, also etwa 60 cm, abgesenkt. Darauf wurde eine hölzerne Plattform gesetzt, auf der die Urteile ausgeführt werden sollten. Nach diesem Umbau wurde ein gemauerter Rabenstein errichtet. Ab jetzt sollte man hier die Enthauptungen mit dem Beil ausführen. Rechtsgrundlage dafür war eine Verordnung aus dem Jahr 1811, nach der fortan alle Enthauptungen mit diesem Werkzeug erfolgen sollten.
Die übrigen restlichen Steine aus dem Mauerwerk und das steinerne Portal mit der Jahreszahl 1731 wurden auftragsgemäß für ein neues Gebäude für den Strafvollzug verwendet.
Laut Dr. Wojtucki sind aus Landeshut folgende Scharfrichter namentlich bekannt:
- Gottfriedt Altvatter (1649)
- Georg Ansorge (ab 31. Oktober 1678, 1680)
- Johann George Hänisch (1683, + März 1692)
- Gottfriedt Altvatter (1694)
- George Heinrich Lampert (1702, 1719)
- Georg Lux (1726)
- George Heinrich Lampert (wahrscheinlich ab 1726, 1741)
- Frantz Joseph Kretschmer (1754, + 13. Februar 1760)
- Johann Franz Dittrich (1761, 1765)
- Johann Gnaden (1765, 1769)
- Johann Ernst Kühn (1770)
- Johann Pitsch (1804)
- Franz Schwarz (1807)
- Carl Kaspar Schwarz (1818, 1829)
Die Scharfrichter waren früher gefürchtet, aber sie wurden auch respektiert. Das jeweilige Stadtgericht war zuständig für die Einstellung, Besoldung oder Entlassung des Scharfrichters. Neben einer kostenlosen Dienstwohnung stand ihm jedes Vierteljahr, Halbjahr oder Jahr ein festgelegtes Honorar zur Verfügung. Der Scharfrichter und seine Familie waren von gewissen bürgerlichen Pflichten ausgenommen, wie z. B. die Zahlung von Zinsen und Steuern. Die Scharfrichter erhielten Brennholz und Heu entweder direkt von der Stadt geliefert oder es wurde ihnen befohlen, es selbst an bestimmten Orten zu holen. Manchmal bekamen sie auch Weizen oder Kleidung oder ein "Trinkgeld" anlässlich von Jahrmärkten oder anderen Festen. Zur Ausstattung des Scharfrichters gehörte regelmäßig auch ein von der Stadt angeschaffter Wagen (Schinderwagen).
In die Hände des Scharfrichters wurden - nach vorheriger Bestätigung durch das Appellationsgericht des jeweiligen Landesherrn - als Delinquenten vor allem Mörder, Räuber, Brandstifter, Diebe und eine nicht unerhebliche Anzahl von Frauen übergeben, die sich zuvor aus Furcht vor sozialer Schande ihrer unehelichen Kinder entledigt hatten.
In Landeshut wurden viele Todesurteile vollstreckt. Die ersten bestätigten Hinrichtungen erfolgten erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Im Jahr 1655 wurde ein unbekannter Mann durch Erhängen hingerichtet. Ein Jahr zuvor wurde hier ein Selbstmörder begraben. Die meisten Informationen über die ausgeführten Urteile an dieser Hinrichtungsstätte stammen aus dem 18. Jahrhundert. Sie ergeben sich sowohl aus den Chroniken über Landeshut als auch aus den Akten des Appellationsgerichts zu Prag. Laut Hayn wurden folgende Urteile vollstreckt: "In demselben Jahre (1708) wurde einem Weibe (Stricker Rosine genannt) welche ihrem Mann mit Gift vergeben, bei dem Galgen auf einem Klotz mit dem Beil die rechte Hand und dann der Kopf abgehauen und unweit dem Galgen vergraben. Im October desselben 1708. Jahres wurde ebenfalls eine Jungfer (ihr Name steht nicht dabei) von Hartmannsdorf, welche angezündet, durchs Schwerdt vom Leben zum Tode gebracht und ihr Körper hernach auf einem Holzstoß zu Pulver verbrannt. 1709 den 6. April wurde Anna Maria Franzin von Hartmannsdorf, welche ihr unehelich erzeugtes Kind bald nach der Geburt auf das Steinpflaster fallen gelassen und hinter die Ställe (welche es in der Stadt gewesen sind, ist nicht angegeben) in den Schnee verscharret hatte, welches jedoch bald entdeckt wurde, in Landeshut bei dem Galgen durchs Schwerdt gerichtet und nachher ohne Sarg neben der Richtstätte begraben. Diese Verbrecherin wurde laut der evangelisch lutherischen Freiheit und Altranstädtischen Convention von evangel. Geistlichen, dem Herrn M. Benjamin Schmolke und Herrn M. Scharf, beide von Schweidnitz, bis zur Richtstätte begleitet, um sie zu trösten. Auch die evangelische Schuljugend mußte, christliche Gesänge singend, vor ihr hergehen, welches bereits seit 103 Jahren nicht mehr geschehen war."
Der Galgenberg auf einem Stich von Friedrich Bernhard Werner, 1738
(Standort des Galgens siehe roter Kreis)
Skizze des Galgens
Der Scharfrichter Caspar Schwarz war von Beruf Tierarzt und wurde im Jahr 1791 geboren. In 1. Ehe war er mit Magdalena, geb. Ulrich verheiratet. Sie starb am 29. Oktober 1825 in Alter von nur 34 Jahren. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Josepha, die mit dem Lehrer und Rektor Laubichler verheiratet war. Er war in Landeshut und Nieder-Wiesa tätig.
In 2. Ehe war Caspar Schwarz mit Ernestine Büttner aus Landeshut verheiratet. Während dieser Ehe wurde der Sohn Carl Julius Schwarz 1830 in Landeshut geboren, der mit Luise geb. Wende verheiratet war. Carl Julius wurde nur 45 Jahre alt und verstarb am 5. Mai 1875 in Tillowitz.
Passkarte des Caspar Schwarz
(Bild von Herrn Markus Waschinski)
(zur Verfügung gestellt von Herrn Markus Waschinski)
Anzeige aus der Zeitung "Der Bote aus dem Riesengebirge",
Heft Nr. 29/1830.
Am 29. Oktober 1825 war die Ehefrau des Scharfrichters, Magdalena, geb. Ulrich, im Alter von 34 Jahren verstorben. Dies ergibt sich aus den Familiennachrichten in der Zeitung "Der Bote aus dem Riesengebirge, Heft Nr. 40/1825.
Im Jahre 1837 richtete der Scharfrichter Franz Scharf die Schwarz-Stiftung ein.
Zweck der Stiftung war:
- 4/5 zur Unterstützung 2 Armer, jeweils am 1. Juli jeden Jahres zu verteilen;
- 1/5 an die katholische Kirchenfundationskasse
Stiftung des verstorbenen Scharfrichters Schwarz
(Quelle: Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Liegnitz
vom 14.08.1841, Nr. 33)
Am 1. April 1936 wurden diese Stiftungen mit der Vereinigten Stiftung zur Unterstützung Ortsarmer vereinigt.
Die beiden folgenden Unterlagen stellte Herr Dr. Daniel Wojtucki (Universität Breslau) zur Verfügung.
Die folgenden Bilder zeigen die Grabungsstelle in Landeshut und die Mauerreste des früheren Galgens.
Alle Bilder wurden mir von Herrn Dr. Daniel Wojtucki (Universität Breslau) zur Verfügung gestellt.
2. Die Abdeckerei:
Quellen:
- Duma/Dr. Wojtucki: Die Abdeckerei und die Hinrichtungsstätte u. a. in Kamienna Góra (Landeshut), 2019
- Pawel Duma - Daniel Wojtucki - Aleksander Chrószcz - Maciej Janeczek: Former Knacker`s Yards in Silesia Based on the Results of Archeological Research in Kammienia Góra and Zlotoryja, 2020
Den Ort, an dem der Scharfrichter oder seine Gehilfen die Kadaver, Abfälle und manchmal auch Verurteilte vergraben haben, nannte man früher Schinderplatz, Schinderanger oder Schinderwiese. Nicht weit davon entfernt befand sich auch die Schindergrube. Aufgrund hygienischer Gegeben-heiten lagen diese Plätze oft in der Nähe von Galgen oder anderen Hinrichtungsplätzen. Scharfrichter und Abdecker waren - da erstere von den seltenen Hinrichtungen nicht leben konnten - oft dieselbe Person. Die Bauern waren verpflichtet, sämtliche Tierkadaver dem Abdecker zu übergeben.
Die von Herrn Dr. Daniel Wojtucki (Universität Breslau) mit Archäologen und Historikern von der Gesellschaft für den Schutz und die Erforschung von juristischen Denkmälern (SOIBZP) im Jahre 2012 durchgeführten archäologischen Forschungen wurden 2015 fortgeführt.
Die Abdeckerei befand sich in Landeshut in unmittelbarer Nähe zur Hinrichtungsstätte. 2 Meter südlich der Galgenfragmente wurde ein großes ovales Objekt mit einer Länge von bis zu 3 Meter und einer Breite von 2 Meter untersucht. Es war mehr als 1 Meter im Boden versenkt. Im Inneren entdeckte man hunderte von Tierknochen, Schutt und Steine, die wahrscheinlich vom gemauerten Galgen stammen. Die jüngsten Knochen stammen aus dem frühen 19. Jahrhundert. Die Tierknochen waren stark zersplittert bzw. zerstört. Viele von ihnen waren verkohlt, was darauf hindeutet, dass einige Tiere auf diesem Platz durch Verbrennen entsorgt wurden. Unter dem Material befanden sich auch wenige menschliche Knochen (Zähne, Finger, Wirbel). Dass die alte Abdeckerei weit über den Bereich des steinernen Galgens hinausreichte, beweist die Tatsache, dass zahlreiche Tierknochen in einer Entfernung von 30 Metern vom Galgen gefunden wurden. In Landeshut wurden insgesamt 7.476 Knochen gefunden, davon betrug der Anteil an menschlichen Knochen nur 0,53 %.
Aus erhaltenen Quellen ist bekannt, dass der örtliche Scharfrichter bereits im 17. und fast im gesamten 19. Jahrhundert mit der Schlachtkörperentsorgung betraut war. Er beschäftigte auch Gehilfen. Eine 1649 für den Scharfrichter Gottfried Altvatter verfasste Preisliste blieb erhalten. Daraus ergeben sich die genauen Beträge, die die Stadt für die Entfernung der Tiere zahlte. Zum Beispiel erhielt er für ein Pferd 15 Silbergroschen, für einen Ochsen oder eine Kuh 10 Groschen, für einen Hund 3 Groschen und zum Entfernen einer Katze nur 2 Groschen.
Der Galgen wurde im Jahr 1820 entfernt. Nach diesem Datum befand sich die Abdeckerei wahrscheinlich noch im Betrieb. Es konnte aber bisher nicht festgestellt werden, wie lange sie noch bestand.
Die folgenden Bilder zeigen die Grabungsstelle in Landeshut.
Alle Bilder wurden mir von Herrn Dr. Daniel Wojtucki (Universität Breslau) zur Verfügung gestellt.
Anzeige aus der Zeitung "Schlesischer Gebirgsfreund", Heft Nr. 13/1835