Feste, Sitten und Bräuche
(Verfasser: Hella Tegeler)
In diesem Kapitel soll nicht nur über die kirchlichen Feste berichtet werden, sondern auch über andere dörfliche Feiern, die sich im Laufe eines jeden Jahres wiederholten. Darüber hinaus gab es auch viele Sitten und Bräuche im Landeshuter Kreis, die von Generation zu Generation überliefert worden sind.
Zu den schönsten Festen des Jahres gehörte unumstritten das Weihnachtsfest. Meistens waren die kleinen Riesengebirgsdörflein bereits einige Wochen vor dem Heiligen Abend tief eingeschneit, dicke Flocken wirbelten vom Himmel, Dächer und Bäume hatten die schwere weiße Last zu tragen. Über allen Feldern, Wegen, Stegen, Bächen und Wäldern war die weiße Pracht verstreut. Weihnachten im Riesengebirge, viele denken heute mit Wehmut im Herzen und voller Erinnerungen daran zurück.
Wochen vor dem Fest begannen schon die ersten Vorbereitungen. Beim Schlachtfest wurden Schinken, Blut- und Leberwürste für das Weihnachtsfest zurückgelegt. Die schönsten roten Äpfel wurden sorgfältig auf Stroh in den Regalen sortiert, um später auf den Gabentellern Platz zu finden. Und auch an die Weihnachtsbäckerei musste gedacht werden. Pfefferkuchen, Christstollen und "Mohbabe" durften selbstverständlich nicht fehlen. Die schönsten Düfte zogen durch die Häuser.
Die Adventszeit mit dem selbst gebundenen Adventskranz stimmte Alt und Jung auf den bevorstehenden Höhepunkt, den Heiligen Abend, ein. An diesem Tag wurde der einige Tage vorher frisch geschlagene Christbaum in die gute Stube getragen und dort festlich mit Kugeln und Lametta geschmückt.
Meine Mutter berichtete mir früher sehr oft, wie das Weihnachtsfest bei ihrer Großmutter im Haselbacher Gerichtskretscham gefeiert wurde. Der festlich geschmückte Weihnachtsbaum stand in der Gaststube. Nach altem Brauch wurden am Nachmittag des Heiligen Abends um die Obstbäume im Kretscham-Garten Strohseile gebunden. Das sollte im kommenden Jahr eine reiche Obsternte herbeiführen. Erst Ostersonnabend wurden sie wieder entfernt. Diese Tätigkeit versah immer Paul Drescher, der als Wirtschafter bei meiner Urgroßmutter tätig war.
Der Haselbacher Gerichtskretscham
Gegen 16.00 Uhr versammelte sich dann die gesamte große Familie, um gemeinsam durch das tief verschneite Haselbach in die evangelische Kirche zu gehen. Die Christnacht begann alljährlich um 17.00 Uhr. Gerade an diesem Tag strahlte die Kirche eine besondere Atmosphäre aus, die jeden Christnachtbesucher in die besondere Festtagsstimmung versetzte. Die Gottesdienstbesucher kamen nicht nur aus Haselbach, sondern auch aus den Nachbargemeinden, die zum Kirchspiel Haselbach gehörten. Viele mussten bei oft klirrender Kälte weite Wege zurücklegen.
Wenn die Kerzen an den rechts und links des Altars stehenden Christbäumen entzündet wurden, dann begann die "Haselbacher Christnacht" mit der besonderen Liturgie. Die Schulkinder aus Haselbach, Pfaffendorf, Dittersbach städt. und Rothenzechau saßen während des feierlichen Gottesdienstes in den vier Ecken der mittleren Empore unter je einem mit Kerzen bestückten weißen Christbaum aus Holz. Von den Christbäumen hingen breite goldene und silberne Bänder bis in das Kirchenschiff hinab. Kantor Worbs hatte Wochen vorher die Quempas-Gesänge der Schulen des Kirchspiels einstudiert und die Solopartien der gesungenen Hirtenszene aus der Weihnachtsgeschichte geprobt. Richtig feierlich und andächtig wurde es nun im Kirchenschiff, wenn die Wechselgesänge der einzelnen Chöre erklangen. Die einmalige Atmosphäre zog jeden Gottesdienstbesucher ob Alt oder Jung in den Bann und ist bis in die heutige Zeit unvergessen.
Nach dem Gottesdienst strebten alle nach Hause und die Kinder warteten voller Ungeduld auf die Einbescherung. Vorher wurde aber zu Abend gegessen. Bei meiner Urgroßmutter im Kretscham gab es zunächst eine Pilzsuppe aus getrockneten Steinpilzen. Danach Blut- und Leberwurst mit Kartoffelbrei und Sauerkraut. Anschließend erfolgte die Einbescherung in der mit dem Christbaum weihnachtlich geschmückten Gaststube. Nach dem Auspacken der Geschenke saß die ganze Familie gemütlich zusammen. Für die Kinder gab es Naschwerk und die Erwachsenen bekamen Glühwein. Auch die berühmten "Mohkließlan" fehlten nicht.
Da ein Teil der Familie katholisch war, ging die gesamte Festgesellschaft um Mitternacht gemeinsam vom Kretscham zur katholischen Kirche, um an dem dortigen Mitternachts-gottesdienst teilzunehmen. Dieser war vom gleichen Stimmungsgehalt wie die evangelische Christnacht. Hier wurde u. a. das von Josef Ignaz Schnabel komponierte Chorlied "Transeamus usque Bethlehem" (Lasst uns nach Bethlehem gehen) gesungen. Auch das berühmte Lied "Gloria in excelsis Deo" klang durch das Kirchenschiff. An der Orgel saß Kantor Fabian. Mit diesem feierlichen Gottesdienst endete der Heilige Abend.
Der erste Weihnachtsfeiertag war den Verwandtenbesuchen vorbehalten. Auch bei meiner Urgroßmutter gab es an diesem Festtag die berühmte Weihnachtsgans und dazu schlesische Klöße und Blaukraut. Nachmittags wurde der bereits Wochen vorher gebackene Christstollen und die "Mohbabe" verzehrt.
Vielseitig waren die Bräuche, die sich mit dem Silvesterabend verbanden. Bedeutung kam auch der Silvesterspeise zu, dem Karpfen. Er galt als besonders Glück bringend. Eine Schuppe des Silvesterkarpfens in der Geldbörse sollte chronischen Geldmangel verhindern. Über den Jahreswechsel durfte keine Wäsche zum Trocknen hängen. Das bedeutete den Tod eines nahen Angehörigen im neuen Jahr. Noch nicht bezahlte Rechnungen mussten vor Jahresende beglichen werden, da man nicht mit Schulden das neue Jahr beginnen durfte.
Selbstverständlich durfte auch am Silvesterabend ein Blick in die Zukunft nicht fehlen. Hierzu diente u. a. der Zwiebelkalender. Man teilte eine Zwiebel mitten hindurch und zerlegte dann jede Hälfte in sechs Teile, so dass man zwölf Zwiebelschalen erhielt. In jede dieser Schalen kam eine Messerspitze Salz. Am anderen Morgen konnte man nun feststellen, in welchen Schalen das Salz zu Wasser geworden war, und danach beurteilte man die Witterung des kommenden Jahres. Nach dem Volksglauben bringen die Monate, bei denen im Zwiebelkalender das Salz nass war, regnerisches und die übrigen Monate gutes Wetter.
Auch das Bleigießen war sehr beliebt. Hierzu wurden Bleikügelchen über einer Kerze zum Schmelzen gebracht und dann in einen Topf mit kaltem Wasser gegossen. Dort erstarrte dann das Blei zu den eigenartigsten Formen, die je nach Deutung gute oder schlechte Ereignisse ankündigen sollten.
Zu Fastnacht wurden Pfannkuchen gebacken und man lud Nachbarn zum Kaffee ein. Der Tast-Bäcker und später der Hildebrandt-Bäcker haben früher den Haselbacher Kretscham mit mehreren Blechen dieses wunderbaren Gebäcks versorgt.
Die Stadt Liebau war weit über die Kreisgrenze hinaus bekannt für den Karneval. Hier fand sogar alljährlich während der Faschingszeit ein Straßenumzug statt. Anschließend wurde in allen Gaststätten oder auch daheim fröhlich gefeiert. Maskenbälle und Theateraufführungen fanden ebenfalls während dieser Zeit statt.
Karnevalsumzug in Liebau
Faschingsfeier im Jahr 1929
Karneval in Liebau
Laienspielgruppe aus Hartauforst
(Bild von Herrn Andreas Niepel)
Maskenball in Dittersbach städt.
Der Sonntag "Lätare", der 3. Sonntag vor Ostern, war in Schlesien der "Sommersonntag". Nach althergebrachter Volkssitte fand an diesem Tag das "Sommersingen - Summersinga" statt. Der härteste Winter war vorüber und die Sonne machte die Schneemassen zu Wasser. In den geschützten Tälern läuteten bereits die Schneeglöckchen den Frühling ein. Nun bereitete auch die Jugend der Dörfer dem Winter den Garaus.
In den Morgenstunden des "Sommersonntags" gingen die Kinder "sommern", d. h. sie zogen in kleinen Gruppen die Dorfstraße entlang, gingen von Haus zu Haus und sangen ihre "Sommerlieder", um dafür Gaben zu erhalten. Außer einem Körbchen oder Säckchen trugen sie in den Händen den allerschönsten "Sommer", den sie entweder selber oder mit Hilfe der Mutter daheim gebunden hatten. Der sog. "Sommer" war ein Stecken, der mit bunten Bändern verziert war und an seinem oberen Ende ein Sträußchen von Papierblumen und Tannenreislein trug. Waren genügend bunte Bänder vorhanden, so wurden am Sträußchen auch noch einmal rote, blaue und gelbe Bänder befestigt, die man dann lustig im Frühjahrswind wehen ließ.
Reußendorfer "Sommersänger"
So ausgerüstet, zogen also die Kinder als sangeslustige Sommerboten durch das Dorf, um den Sieg der Sommerzeit zu verkünden. Selbst der kleinste Knirps hielt tapfer mit und holte sich mit seinen drolligen Versen manchen Sonderbeifall. Vor fast jedem Hause blieben die Kinder stehen, um folgende Verslein zu singen:
Summer, Summer, Summer,
ich bin a klenner Pummer,
ich bin a klenner Keenig,
gabt mer nee zu wenig,
lasst mich nee zu lange stiehn,
ich muß a Häusla wettergiehn.
oder:
Der Herr, der hoot an hucha Hut,
es sein ihm olle Madel gutt,
a wird sich`s wull bedenka,
zum Summer ins woas schenka.
oder:
De Froo, die gieht eim Hause rim,
se hoot ne schiene Schärze im
miet nem seidna Bande,
se ies de Schienste eim Lande.
Sie ward`s sich`s wull bedenka,
zum Summer ins woas schenka.
Wenn aber das Singen vergebens war und man hatte vergeblich gewartet, dann wurde gesungen:
Hühnermist und Taubamist,
ei dam Hause kriggt ma nischt!
Is doas nich `ne Schande,
ei dam ganza Lande!
Meistens gingen aber die kleinen "Sommersänger" mit gut gefülltem Körbchen oder Säckchen nach Hause. Daheim wurde voller Freude ausgepackt, bestaunt und verteilt. Süßigkeiten, bunte Eier, Rosinenschnecken, "Mohfinka" und auch mancher Groschen war dabei. Die glücklichen Kinderherzen bedauerten nur, dass nur einmal im Jahr "Sommersonntag" war.
Nach dem "Sommersonntag" stand bereits das nächste Fest vor der Tür, das Osterfest. Am Ostersonnabend wurde kräftig gebacken, denn nach der Fastenzeit sollte nun herzhaft gegessen werden. "Sträselkucha" und Quarkkuchen standen während der Osterfeiertage stets auf dem Tisch.
Schlä`scher Kucha, Sträselkucha,
doas ihs Kucha, sapperlot,
wie`s uff Herrgotts grußer Arde
nernt nich su woas Gudes hoot.
Woas ihs Spritz- und Aeppelkucha?
Babe miet und ohne Moh?
Woas sein Krappla, Pratzla, Turte,
Stritzel, Ee und Zwieback oo?
Nischt wie loatschiges Gepomper,
doas ma gerne lässt ei Ruh,
duch vum schlä`scha Sträselkucha
koan ma assa immerzu.
Ostereier gab es selbstverständlich auch. Sie wurden mit trockenen Zwiebelschalen gefärbt und erhielten dann eine schöne, braune Farbe. Die Eltern haben die Osternester der Kinder mit diesen braun gefärbten Hühnereiern und bunten Zuckereiern gefüllt und versteckt. In der Frühe des Ostersonntags durften die Kinder dann diese versteckten Nester suchen. Die Zuckereier wurden meistens sofort vernascht. Die Hühnereier dagegen wurden zum Abendbrot gegessen.
Zum Pfingstfest wurden alle Hauseingänge mit Birkenbäumchen geschmückt.
Den Höhepunkt der zahlreichen Frühlingsfeste bildete das Johannisfest am 24. Juni. An diesem Tag stand die Sonne am längsten am Himmel. Gegen Abend zog die Dorfjugend auf die nächstgelegenen Höhen und brannte dort das Johannisfeuer ab. Um das lodernde Feuer versammelte sich die Gesellschaft und sang verschiedene Lieder. Später wurden alte Besen am Feuer entzündet und feurige Kreise damit geschwungen. Mutige Burschen führten einen Fackeltanz auf und sprangen über das brennende Feuer. Manch lustiger Reigen wurde von den Burschen und Mädchen um das brennende Feuer vollzogen.
Vom Tal aus konnte man die lodernden Johannisfeuer auf den verschiedenen Berggipfeln in der beginnenden Dunkelheit gut beobachten. Oft wurden auch brennende Wagenräder zu Tal gelassen. Dieser Anblick war einmalig schön. Von dieser Johannisnacht ging ein ganz besonderer Zauber aus, der bei einigen jungen Paaren die große Liebe erweckte.
Zur jahrhundertealten Tradition gehörten die jährlichen Schützenfeste, die in den Städten gefeiert wurden. Diese dauerten meistens mehrere Tage und waren von unterschiedlichen Beiprogrammen begleitet.
Schützenfest in Landeshut
Schützenfest in Schömberg
Schützenfest in Liebau
In den ländlichen Bezirken Schlesiens war Herbstzeit Kirmeszeit. Die "Kerms" genoss das Ansehen eines Hauptfestes. Mit einem großen allgemeinen Jubel feierte die Dorfbevölkerung die Beendigung der Feldarbeiten. Jede Gemeinde richtete eine eigene Kirmes aus. In Haselbach wurde die "Kerms" immer im Oktober gefeiert, vor dem Erntedankfest. Im Kretscham-Garten meiner Urgroßmutter waren Karussell, Luftschaukel und Schießbude aufgestellt. Für die Kinder war dies immer ein freudiges Ereignis. Das Karussell wurde durch die größeren Jungen von Hand in Schwung gebracht, wofür sie dann Freifahrten erhielten.
Kirmesfeier in Oppau
(Bild von Herrn Dr. Andreas Reuschel)
Auch das Erntedankfest wurde überall groß gefeiert. In einem feierlichen Umzug wurde der Erntekranz mit Musikbegleitung durch das Dorf getragen.
Erntedankfest in Ullersdorf
Erntedankfest in Ullersdorf
Erntedankfest in Ullersdorf
Erntedankfest in Ullersdorf
Erntedankfest in Michelsdorf
Erntedankfest in Michelsdorf
(Bild von Herrn Dr. Andreas Reuschel)
Wenn der Altweibersommer mit seinen kühlen Abenden ins Land zog, begannen im Riesengebirge die Schlachtfeste. Dieses Fest zählte genauso wie Weihnachten, Kindtaufe und Hochzeit zu den Familienfesten. Die Bauern schlachteten selbst und die Verwandten oder der Nachbar leisteten hilfreichen Beistand.
Das Borstentier, das monatelang sorgsam gefüttert wurde, musste sein Leben lassen. Allerlei würzige Kräuter, Pfeffer und Salz wurden zum Würzen der Wurst und Salpeter zum Pökeln des Fleisches bereitgestellt. Am Schlachtfesttage erschien der Fleischermeister und begann seine Arbeit. Bald brodelte das fertige Wellfleisch im Kessel.
In der "Guten Stube" wurden die Tische fein säuberlich gedeckt und die Gäste erschienen bald zum "Wellfleischessen". Mehrere Schüsseln mit Bergen von Wellfleisch wurden aufgetragen, ferner Sauerkraut, Mostrich und Meerrettich. Selbstverständlich gehörten dazu auch Korn und Bier. Das fette Fleisch musste doch gut verdaut werden. Noch tagelang roch es im ganzen Haus nach frischem Fleisch und frischer Wurst.
In der dunklen Jahreszeit ging man "Zum Lichta". Gute Nachbarn und Bekannte trafen sich zum Tratschen. Es wurden Pfannkucha gegessen, die Männer tranken ein paar Bierchen und spielten Karten.
In manchen Familien fand bei dieser Gelegenheit auch das "Federschleißen" statt. Die Gänse waren im Laufe des Jahres wiederholt gerupft worden. In einem großen Leinensack wurden Federn gesammelt und für den Winter aufgehoben. Die Frauen versammelten sich nun in der Küche am großen Küchentisch, der meistens in die Mitte gestellt wurde. Oft durften auch die Kinder beim Federschleißen mitmachen. Jeder Teilnehmer bekam einen großen Topf auf den Schoß, die zum Schleißen bestimmten Federn wurden auf den Tisch geschüttet und nun nahm sich jeder eine Handvoll Federn und befreite jede einzelne vom Stiel und gab sie in den Topf; den Federstiel ließ man auf den Boden fallen. Die flaumigen Daunenfedern kamen dann in einen großen Beutel, damit sie nicht im Raum herumfliegen konnten. Kam jemand zur Tür herein, hieß es gleich: "Schließ die Tür bitte langsam zu", damit ja kein Wind oder eine Zugluft aufkam. Alle Frauen legten sofort die Hände und den Oberkörper schützend über den Federberg.
In dieser Runde ging es immer sehr lustig zu. Es wurde geplaudert und getratscht, es wurden Neuigkeiten über Nachbarn ausgetauscht und verbreitet. Man hatte ja allerhand nachzuholen, denn nur im Winter hatten die Bauersfrauen ausreichend Zeit, sich richtig zu unterhalten und allerlei zu besprechen. Ansonsten war bei der täglichen Arbeit im Stall, Garten, Feld und Haus wenig Zeit dafür. Auch das Singen kam bei dieser Gelegenheit nicht zu kurz. Die alten und schönen Volkslieder waren bei allen sehr beliebt. Mit den flaumigen Daunen wurden später Kopfkissen und Betten gefüllt, die auch für die Aussteuer der heiratsfähigen Töchter bestimmt waren.
Federschleißen bei der Familie Niepel in Hartauforst
Mit dem schönsten Kirchenfest habe ich dieses Kapitel begonnen, mit dem schönsten Familienfest soll es nun enden, der Hochzeit. Hochzeitsfeste in den kleinen Riesengebirgsdörfern waren stets ein Fest, an dem der ganze Ort beteiligt war. Es war üblich, einen sog. Hochzeitsbitter zu Rate zu ziehen. Dieser unterstützte nicht nur die Brauteltern bei den Vorbereitungen des Festes, sondern er war auch für die Einladung der Gäste und für das Rahmenprogramm verantwortlich. Einer der urwüchsigen schlesischen Hochzeitsbitter war Gustav Spitzer aus Hartau grüss; er hieß auch kurz der "Brautdiener".
Ein besonderer Brauch bei einer Bauernhochzeit war die Einholung des sogenannten "Brautfuders". Wenn das Heiratsgut der Braut geholt wurde, fuhr ein Gespann in Begleitung des Hochzeitsbitters und des Bräutigams mit großem Roll- oder Leiterwagen bis zum Hause der Braut. Dort angekommen, unterrichtete der Hochzeitsbitter die zukünftigen Schwiegereltern in einer humorvollen Ansprache über den Zweck seines Kommens. Hierauf wurden die Angekommenen festlich bewirtet, und nachdem sie sich genügend gestärkt hatten, begann man mit dem Beladen des Wagens. Hierbei mussten alle mit anfassen, denn die mit Wäsche und Kleidungsstücken vollgestopften neuen Schränke und Truhen waren sehr schwer. Nachdem diese schwere Arbeit geschafft und der ganze Hausrat aufgeladen war, kam oben darauf das bekränzte Butterfass und vorn auf den Wagen wurde das Bettzeug verfrachtet. Auf der Fahrt zu dem künftigen Heim des jungen Paares standen Federbetten unter der besonderen Obhut der mitfahrenden "Bettfrau".
"Brautdiener" Gustav Spitzer
Das "Brautfuder"
Am Abend vor dem großen Fest fand der Polterabend statt. Die Gäste brachten das Geschirr mit, das vor den Augen des Brautpaares zerschlagen wurde. Je höher der Scherbenhaufen, desto größer war später das Eheglück. Für das Zusammenfegen der Scherben war das Brautpaar zuständig.
Vor dem Elternhaus der Braut war eine große Ehrenpforte errichtet worden. Auch der Eingang des Gasthauses, in dem die Hochzeit gefeiert wurde, war festlich geschmückt worden. Die Pferde an der Hochzeitskutsche waren mit Schleifen geziert und an den Kutschenfenstern hingen Myrtenkränze.
Hochzeitszug auf dem Weg von Reußendorf zur Gnadenkirche in Landeshut
(Aufnahme: 1943)
Wie sich die Brautmode im Laufe von Jahrzehnten veränderte, zeigen folgende Bilder:
Ehepaar Friedrich Beer und Berta, geb. Rüffer
aus Alt Weißbach im Jahr 1898.
Ehepaar Hermann Finke und Gertrud, geb. Gleißner aus Haselbach am 8. Juni 1922.
Ehepaar Fritz Krusche und Charlotte, geb. Röhricht aus Reußendorf am 12. Mai 1941.
Hochzeit von Albert Gottstein und Selma, geb. Rummler aus Haselbach am 12. November 1912.
Die Hochzeit wurde im Haselbacher Gerichtskretscham gefeiert. Die Braut war die zweitälteste Tochter der Kretschamwirtin Pauline Rummler, geb. Scholz (links neben der Braut).