Görtelsdorf (Gorzeszów)
(Verfasser: Hella Tegeler)
Görtelsdorf liegt nordöstlich von Schömberg und gehört heute mit seinen 206 Einwohnern zur Landgemeinde Kamienna Góra (Landeshut).
Erstmalig urkundlich erwähnt wird der Ort 1292 unter dem Namen "Gurtilerisdorf". Die Herkunft dieses Namens ist nicht bekannt. Er könnte evtl. vom Namen des Siedlungsnehmers (auch "Lokator" genannt) stammen. Der Ort gehörte zu den 14 Dörfern, die in der Stiftungsurkunde des Klosters Grüssau aufgeführt sind. Die katholische Kirche befand sich in Neuen. Die evangelischen Bewohner gehörten zum Kirchspiel Liebau.
Im Jahre 1875 wurde das katholische Schulgebäude errichtet. Es handelte sich um eine dreiklassige Schule. Nach den ersten 2 Jahren wechselten die Schüler aus der Unterklasse in die Mittelklasse und nach weiteren 2 Jahren in die Oberklasse. Einwohnerzahl: 1925 = 478 (davon 89 evangelisch), 1939 = 450. Auch Görtelsdorf war überwiegend landwirtschaftlich geprägt, fast 60 % der Bewohner arbeiteten in der Landwirtschaft, 21 %waren Handel- oder Gewerbetreibende. Die Wahrzeichen von Görtelsdorf sind der sagenumwobenen Teufelsstein und die bekannten Zwergsteine. Früher gehörte auch die historische Pohlkapelle dazu.
Der Teufelsstein zu Görtelsdorf (Sagensammlung von Patschovsky)
In Görtelsdorf lebten einst einige Männer, welche dem Laster des Trunkes und des Kartenspiels ergeben waren. Bei ihren wüsten Zechgelagen führten sie gotteslästerliche Reden, und beim Kartenspielen sprachen sie die abscheulichsten Verwünschungen und Flüche aus. Stets entheiligten sie den Sonntag und gaben durch ihr Verhalten den Menschen das größte Ärgernis. Die Männer spielte und zechten sogar an Sonn- und Feiertagen während des Gottesdienstes und auch ununterbrochen an den letzten drei Tagen der Karwoche. Dem Teufel gefiel das Treiben dieser Männer, und damit sie keine Zeit haben sollten, sich zu bekehren, beschloss er, sie in ihren Sünden zu töten, denn dann gehörten sie ihm ganz für immer. Die Macht, sie zu töten, besaß er aber nur in der Nacht in der Zeit von 12 Uhr ab bis zum ersten Hahnenschrei, denn mit dem letzteren war seine Gewalt gebrochen. Einst spielten diese Männer in der Adventszeit wieder die Nacht hindurch im Görtelsdorfer Kretscham, worüber sich der Teufel sehr freute, und er fasste jetzt den Entschluss, die Männer zu töten. Er ging deshalb nach Adersbach, wählte sich aus den Felsen einen passenden Stein, schlang ihn an einer Kette fest und trug ihn auf dem Rücken bis auf einen Berg in der Nähe von Görtelsdorf. Von hier aus wollte er den Stein auf den Kretscham schleudern, diesen zertrümmern und somit die Männer erschlagen. Es war am frühen Morgen, die Nacht breitete noch tiefe Finsternis über die ganze Gegend aus. Die Kirchenglocken waren erst verstummt und die frommen Ortsbewohner eilten zur Kirche, um der Roratemesse beizuwohnen. Plötzlich vernahmen die Spieler im Kretscham ein mächtiges, unheimliches Rauschen und gleich darauf einen gewaltigen Stoß, durch den das alte Wirtschaftsgebäude so erschüttert wurde, dass es in allen seinen Fugen krachte und dass die Fensterscheiben zitterten und klirrten. Zu Tode erschrocken falteten die Männer die Hände zum Gebet, und eine feierliche Stille trat darauf ein. Die Ursache von dem Rauschen und der furchtbaren Erschütterung war folgende: Der Teufel hatte den Stein nach dem Kretscham geworfen, aber während der Stein durch die Luft flog, ertönte zufällig ein Hahnenschrei, durch den die Macht des Teufels gebrochen wurde. Der Stein erreichte nun den Kretscham nicht mehr, sondern fiel schon 300 Schritte von ihm entfernt nieder. Er ist jetzt dort zu sehen und heißt "der Teufelsstein" (s. folgendes Bild). Die Männer, welche nur mit knapper Not dem Tode entgangen waren, nahmen sich diese Warnung zu Herzen, entsagten dem Trunke und führten fortan ein christliches Leben.
Quellen:
- Anhang aus dem Adressbuch von 1911 des Kreises Landeshut
- Knie, J. G.: Übersicht der Dörfer, Flecken und Städte der königl. preuß. Provinz Schlesien, 1845
- Pohlendt, Heinz: Die Landeshuter Passlandschaften, Priebatschs Buchhandlung Breslau 1938
- Wesner, Heinrich: Scholtisei in Görtelsdorf (Schlesischer Gebirgsbote (8/1951)
- Ueberschär - Patschovsky - Nagel: Die Sagen des Kreises Landeshut, hrg. E. Rock, Wolfenbüttel
1950
- Zimmermann, Friedrich Albert: Beyträge zur Beschreibung von Schlesien, 5. Band, 1785
Die folgende Postkarte wurde mir von Frau Petra Koller zur Verfügung gestellt.
Blick auf Görtelsdorf
Blick auf Görtelsdorf
Nachfolgendes Bild vermittelt einen Eindruck vom Oberdorf (Aufnahme: 1934)
Die neue katholische Volksschule:
Das Schulgebäude wurde im Jahre 1875 errichtet. Die Schule enthielt zwei übereinander liegende große Klassenzimmer. Im Dachgeschoss befanden sich die Räume der zweiten Lehrerwohnung. Links von dem mit einer Treppe versehenen Haupteingang befand sich die Wohnung des ersten Lehrers mit darüber liegenden Fremdenzimmern, Dachkammern und Bodenraum für Schul- und Gemeindeakten.
Es handelte sich um eine dreiklassige Schule mit ca. 80 bis 90 Kindern. Der Unterricht wurde von zwei Lehrkräften erteilt. Bei zufriedenstellenden Leistungen wechselte man nach den ersten zwei Jahren aus der Unterklasse in die Mittelklasse. Nach weiteren zwei Jahren erfolgte der Übergang in die Oberklasse, um nach weiteren vier Jahren den Schulabschluss zu erreichen. Wer nach achtjährigem Schulbesuch als Junglandwirt oder Lehrling im Dorfe blieb, erhielt in den gleichen Räumen als Fortbildungsschüler einen weiteren Schliff für das spätere Leben. Dieser Unterricht wurde in einem dreijährigen Zeitraum während des Winterhalbjahres in den Abendstunden gegeben.
Berichte über die Schulverhältnisse in Görtelsdorf im Jahr 1852.
Diese Berichte wurden in der Zeitung "Der Bote aus dem Riesengebirge" veröffentlicht.
Heft Nr. 26/1852
Heft Nr. 28/1852
Die katholische Volksschule
Folgende Lehrer waren in Görtelsdorf als Lehrer tätig:
1911 = Augustin Kindler (Hauptlehrer)
Alfred Kuban
1925 = Augustin Kindler
Alfred Kuban
1938 = Heinrich Scholz
Schülerinnen und Schüler mit Lehrer Kongehl um 1929
Schulentlassung mit Lehrer Heinz Scholz 1938 - 1939
Die "Alte Schule"
Nach dem Neubau des Schulgebäudes im Jahre 1875 wurde die "Alte Schule" Gemeindehaus und diente fürsorgebedürftigen Personen als Wohnung. Nach dem 1. Weltkrieg wurde eine Jugenherberge eingerichtet. Im Jahre 1935 erfolgte der Abbruch des Hauses.
Der Innenraum der Jugendherberge
Der Kindergarten "Zwergenhäusel"
Er befand sich hinter der Schule.
Vor dem Kindergarten "Zwergenhäusel"
Haus Nr. 51 - Warenhandlung Alfred Walther
Haus Nr. 116 - Bäckerei und Warenhandlung Kattner
Im Jahre 1904 fiel das im Oberdorf gelegene Gasthaus "Zum Kaiser Friedrich" einem Brand zum Opfer. Der damalige Eigentümer Johann Klenner baute den Gasthof wieder auf. Letzter Eigentümer war der Landwirt Richard Scharf, der neben der Landwirtschaft auch noch ein Fuhr- und Handelsgeschäft betrieb. Pächter der Gastwirtschaft war seit 1930 bis zur Vertreibung Adalbert Meier.
Der Gerichtskretscham (Haus Nr. 113):
Besitzer des Gerichtskretschams waren laut Adressbücher der Jahre 1911, 1925 und 1938 zunächst August Schmidt, danach Klara Schmidt und später Martha Hampel. Im Jahre 1942 wurde der Kretscham von August Jungnitsch übernommen.
Der Gerichtskretscham
Der Gerichtskretscham
Die Scholtisei:
(Quellen:)
- Taube, Tilmann: Die bäuerliche Führungsschicht im Grüssauer Klosterland, Selbstverlag 2003
- Wesner, Heinrich: Schlesischer Gebirgsbote (8/1951)
Die Scholtisei in Görtelsdorf war neben denen in Albendorf, Kleinhennersdorf und Oppau eine der reichsten und prestigeträchtigsten im ganzen Grüssauer Klostergebiet (s. Taube, Tilmann: "Die bäuerliche Führungsschicht im Grüssauer Klosterland, Selbstverlag 2003).
Das Vorhandensein eines Scholzen wird erstmals im Jahre 1535 erwähnt. Erb- und Gerichtsscholze war damals Georg Springer. Gleich am Eingang des Dorfes von Grüssau, vorerst verdeckt durch den "Gerichtskretscham", der in den vergangenen Jahrhunderten ebenfalls ein Bestandteil derselben war und als Brauereigebäude gedient hatte, erhoben sich die stolzen Mauern der Scholtisei. Die Nord-, Ost- und Südfassade zeigten Ornamente und Strukturen klösterlicher Bauart. In der Höhe des ersten Stockwerkes beherbergten rechts und links vom Haupteingang zwei Mauernischen die lebensgroßen Statuen von Jesus und Maria, die an den Hochfesten des Kirchenjahres im elektrischen Lichterglanz erstrahlten.
Ursprünglich gehörten zu der Scholtisei mehr als 300 Morgen Acker, Wiese und Wald. Durch den Ausbau der großen, links des Kretschams höher gelegenen Scheune der Scholtisei zu einem Wohn- und Wirtschaftsgebäude und Abtrennung von mehr als 100 Morgen Land, wurde um 1880 für die Familie ein zweites Bauerngut geschaffen. Im Jahre 1908 wurden die Neubauten der Scheuern und Ställe in einem Halbkreis um die Scholtisei errichtet.
Die Ländereien der Scholtisei erstreckten sich in mehr als 1 km Länge in zusammenhängender Lage von Süden nach Norden bis an die Grenze des Nachbardorfes Konradswaldau. Durch seine Gemarkung führte die alte Paßstraße, der älteste und kürzeste Verbindungsweg zu dem Walden-burger Steinkohlengebiet, am Teufelsstein vorbei über den Paß, der noch Eigentum der Scholtisei war, bis nach Mittel-Konradswaldau. Auf der höchsten Stelle des Passes konnte man eine herrliche Fernsicht in das Riesengebirge mit der Schneekoppe, Kloster Grüssau sowie gegenüberliegend das Waldenburger Bergland mit Hoch- und Sattelwald genießen.
Heute ist von der Scholtisei leider nichts mehr erhalten.
Besitzer der Scholtisei war Isidor Wesner, später Georg Wesner.
Anzeige aus der Zeitung "Der Bote aus dem Riesengebirge",
Heft Nr. 48/1831.
Die folgenden Bilder stellte Frau Petra Koller zur Verfügung, Enkeltochter des letzten Besitzers der Scholtisei.
Die Scholtisei
Die Scholtisei um 1935 mit dem Besitzer Isidor Wesner (links im Bild).
Der Haupteingang befand sich etwas zurückgesetzt, hinter den Bäumen. Auf der rechten Seite des Bildes schloss sich der Gerichtskretscham an.
Links im Bild: Georg Wesner (mit Hund), letzter Besitzer der Scholtisei vor der Vertreibung.
Lageplan: Scholtisei (gelb markiert), Gerichtskretscham (roter Pfeil), Teufelsstein (blauer Kreis).
"Palmenhof" (Pohlvorwerk) und "Heidevorwerk":
(Quellen:)
- Taube, Tilmann: Die bäuerliche Führungsschicht im Grüssauer Klosterland, Selbstverlag 2003
- Wesner, Heinrich: Schlesischer Gebirgsbote 13/1956
Zusammen mit dem benachbarten Heidevorwerk, der Scholtisei in Neuen und anderen benachbarten Gütern gehörte das Pohlvorwerk zum ältesten Kulturland des Grüssauer Gebietes, wohl noch aus Benediktinischer Zeit, als das Benediktinerkloster Grüssau an der Stelle oder in der Nähe der Kirche von Neuen lag (s. Taube, Tilmann: Die bäuerliche Führungsschicht im Grüssauer Klosterland, Selbstverlag 2003). Zwischen beiden Gehöften lag der sogenannte "Taxenberg", ein aus Sandstein bewaldeter Hügel, der wohl einmal in früheren Zeiten als Grenz- oder Maßpunkt zwischen Klosterherrschaft und Privatbesitz gedient haben mag.
Der erste Vorwerksbesitzer des Pohlvorwerkes war im Jahre 1576 Hans Scholz. Die Übergabe an seinen Nachfolger erfolgte ca. um 1600. Das Pohlvorwerk, in der neueren Zeit unter dem Namen Palmenhof bekannt, umfasste einst mehr als 300 Morgen Land- und Forstwirtschaft nach Norden hin zwischen Buchberg und Pass bis an die Grenze der Gemarkung Konradswaldau.
Der erste Vorwerksbesitzer des Heidevorwerkes war Wolfgang Böthner ab 1537. Das Heidevorwerk erstreckte sich in gleicher Größe wie das Pohlvorwerk über Heidelehne und Zwergsteine hinweg bis an die Rumpelkoppe im Süden.
Von diesen beiden Vorwerken aus dürfte wohl damals dann die weitere Urbarmachung, Kultivierung und Besiedlung der damals noch waldreichen Gebiete am Lauf des Görtelsdorfer Wasser nach Osten zu erfolgt sein. Aus historischen Unterlagen ist bekannt, dass zur Zeit des 30jährigen Krieges eine Bauernfamilie Pohl auf dem Palmenhof gelebt hat, Der Besitzer selbst wurde von durchziehenden schwedischen Kriegshorden erschlagen, da er allem schon beraubt, nichts mehr hergeben konnte. Spätere Generationen bauten an dieser Stelle, etwa 100 m vom Gehöft entfernt, eine Kapelle zum Gedenken (s. hierzu Beitrag am Ende dieser Seite).
Ende 1890 befand sich der Palmenhof im Besitz der alteingesessenen Görtelsdorfer Bauernfamilie Becker. In den Jahren vor und während des 1. Weltkrieges wechselte dann der Hof mehrfach seine Besitzer und wurde zuletzt in den 1930er Jahren im Siedlungswege aufgeteilt. Dadurch erhielten eine Reihe Görtelsdorfer und Neuener Landwirte durch den Zukauf dieser Ländereien ausreichende Ackerflächen. Bei den Gebäuden selbst verblieben etwa 155 Morgen, die als letzter Besitzer Herr Dr. Paul Tunkel bis zur Vertreibung bewirtschaftete.
Das Heidevorwerk wurde bereits vor 1900 aufgeteilt und war im Zeitpunkt der Vertreibung im Besitz der Bauernfamilien Röhrig und Jungnitsch.
Das Pohlvorwerk
(Bild von Herrn Tilman Taube - Aufnahme: 1999)
Der Palmenhof
Das Heidevorwerk
Verkauf des Bauergutes Nr. 8 von B. Prerauer im Jahre 1864.
Anzeige aus der Zeitung "Der Bote aus dem Riesengebirge",
Heft Nr. 41/1864.
Nach den Adressbüchern gehörte dieses Gut
1911 = Paul Maiß
ab 1925 = Robert Zenker
Die Teichhäuser-Partie
Im Vordergrund die Häuser von Emil Rein (Nr. 43)
und Franz Rein (Nr. 40) - Aufnahme: 1957
Haus Nr. 63 - Familie Laurenz Rösner (Aufnahme: 1977)
Das kleine Haus im Vordergrund - Nr. 70 (Wilhelm Klügel), dahinter
Nr. 69 ( Schuhmacher August Hoffmann), es folgt Haus Nr. 67 (Werkstatt und Wohngebäude des Tischlermeisters Richard Rösner), ganz rechts - Haus Nr. 11 (Bauerngut des Berthold Stief)
Haus Nr. 86 - Die Mittelmühle - Mühlenbesitzer: Robert Kießling
Haus Nr. 101 - Familie Berthold Demuth
(Aufnahme: 1991)
Vorderansicht des Hauses Nr. 101
Von links: Haus Nr. 114 - Bauer Heinrich Wesner,
Nr. 117 - Landwirt Theodor Langer,
Nr. 4 Bauer Wilhelm Wesner.
Haus Nr. 114 - Bauer Heinrich Wesner (Aufnahme: 1978)
Haus Nr. 117 - Landwirt Theodor Langer
Glasfabrik:
Im Jahre 1802 wurde in Görtelsdorf eine Glasfabrik gegründet, die hauptsächlich der Herstellung von Arzneigläsern diente. Die Konzession erhielt der Bolkenhainer Kreisphysikus Dr. Weidlinger. Die Befeuerung erfolgte mit Steinkohlen.
Wegen mangelnder Rentabilität wurde die Fabrik aber nach 1808 wieder geschlossen.
Quelle:
- Schlesische Gläser: Eine Studie über die schlesische Glasindustrie früherer Zeit,
Verlag: Breslau, Museum Schlesischer Altertümer 1891
Gewerbetreibende in Görtelsdorf
Auszug aus dem Amtlichen Adressbuch für Industrie, Handel und Gewerbe des Jahres 1927.
Bilder aus dem Alltag:
Sedanfeier der Görtelsdorfer und Kindelsdorfer Schule im Jahre 1910
Wallfahrt nach Albendorf
Die Freiwillige Feuerwehr:
Während eines Brandeinsatzes bei Otto Teichmann ereignete sich am 21. September 1934 ein Spritzenunglück, siehe folgendes Bild.
Der Militärbegräbnisverein Görtelsdorf - Neuen
Dieser Verein wurde im Juni 1853 gegründet. Die Veteranen der Freiheitskriege wollten sich in kameradschaftlicher Verbundenheit ein ehrenvolles, soldatisches Begräbnis sichern. Mit ehrenvollem Geleit und begleitender Musikkapelle wurde jeder Kamerad zum Friedhof der Pfarrkirche St. Laurentius in Neuen getragen. Da dieser über 2 km lange Weg, besonders bei schlechtem Wetter im Winter, oft sehr beschwerlich war, wurde im Winter 1927 ein Leichenwagen angeschafft und der, da ein Kriegerdenkmal noch nicht vorhanden war, gleichzeitig den im Weltkriege gefallenen Kameraden gewidmet. Dies kam auf den im Verdeck angebrachten Ornamenten zum Ausdruck. Die Anschaffungskosten betrugen fast 2.000 RM, die durch Anteile und Spenden finanziert wurden. Er war einer der schönsten Leichenwagen im ganzen Kreisgebiet.
Gefallene des 1. Weltkrieges:
Aus den Verlustlisten (VL) der Gefallenen des 1. Weltkrieges ergeben sich für Görtelsdorf folgende Namen:
- Fichtner Augustin VL vom 13.11.1915 - Seite 10118
- Friebel Johann VL vom 02.08.1916 - Seite 13737
- Henke Paul VL vom 30.10.1914 - Seite 1999
- Kahlert Alois VL vom 20.05.1915 - Seite 6469
- Klenner Johann * 02.07.1895 + 03.04.1918 VL vom 26.06.1919 - Seite 30516
- Maatz Paul Gustav * 09.12.1898 + 26.10.1918 VL vom 28.04.1919 - Seite 30067
infolge Krankheit
- Rauer Karl * 05.09. ? VL vom 29.12.1917 - Seite 22252
- Rösner Alois VL vom 26.10.1916 - Seite 15834
- Schreiber Bruno VL vom 04.06.1915 - Seite 6721
- Schreiber Johann VL vom 05.05.1916 - Seite 12327
- Wippler Reinhold VL vom 20.07.1915 - Seite 7705
Diese Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Die Zwergsteine:
Die "Zwergsteine" und der "Teufelsstein" gehören zu den Wahrzeichen von Görtelsdorf. Manche sagen auch zu diesen Sandsteinkolossen "KLein Adersbach". Steht man auf den Steinen, so reicht der Blick weit ins Grüssauer Land, auf das Riesengebirge mit der Schneekoppe, sowie auf Hoch-wald und Wildberge. Über einen Kilometer lang ziehen sich die Zwergsteine bald in Gruppen, bald einzelstehend nach Westen hin, bis sie sich nach Abflachung des Höhenzuges im Tale verlieren. Ihre Fortsetzung erhalten die Felsen auf der anderen Seite des Dorfes, den sogenannten Haselsteinen mit dem größten freistehenden Felsen, dem sagenumwobenen "Teufelsstein". Etwa 10 Meter hoch ragt er mitten aus fruchtbarem Ackerland, von allen Seiten freistehend, hervor. Durch die Gedenktafel mit den Jahreszahlen 1813 - 1913 ist er als Naturdenkmal geschützt.
Die Zwergsteine
Die Zwergsteine
Die Zwergsteine
Die Zwergsteine
Der Teufelsstein
Die Gedenktafel am Teufelsstein
Eine Geschichte aus Görtelsdorfs Vergangenheit:
Der Wanderer, der seine Schritte auf dem Schömberger Straße - im Volksmunde "Viehberg" genannt - an der Schule vorbei Richtung Zwergsteine lenkte, erblickte hinter der letzten Häuserzeile einen kleinen, versumpften Teich, der als Schuttabladestelle benutzt wurde und nicht ahnen ließ, dass einmal hier in den vergangenen Jahrhunderten ein beträchtlicher Erwerbszweig der Ortsbewohner gestanden und geblüht hatte. Es war dies die im Volksmunde genannte "Roomhütte", und darum hieß auch das Sumpfloch der "Roomhüttateich".
Die Hütte selbst wurde bereits im 18. Jahrhundert erbaut und diente der Bereitung von Ruß, der bei der Verbrennung von Kiefernstöcken - denn nur solche konnten dazu benutzt werden - gewonnen wurde. In Säcken wurde derselbe eingefangen und in kleine Holzfässchen verpackt, deren Her-stellung den Familien Brot und Erwerb gab. Andere Bewohner wiederum befassten sich mit dem Vertrieb dieser gefüllten Fässchen, die je Stück 5 Pfg. kosteten, und zur Selbstbereitung von Leder- und Wagenfett gern gekauft wurden. Einzelne Händler fuhren mittels Pferd und Wagen diese Fässchen weit im Schlesierland umher und waren oft viele Tage unterwegs, bis sie ihre Ware vollständig abgesetzt hatten. Mehr als 100 Jahre wurde dieser Betrieb aufrecht erhalten, bis die Hütte am Pfingstdienstag des Jahres 1889 in der dritten Nachmittagsstunde in Flammen aufging und vernichtet wurde. Wahrscheinlich hatte der Ruß Feuer gefangen, das in wenigen Stunden die Stätte nutz- und segenbringender Arbeit zu Grunde richtete. Der Brand selbst soll einen unheimlichen Anblick gewährt haben, da der reichlich vorhandene nun brennende Ruß einen seltsamen, tiefroten, weithin sichtbaren Feuerschein verbreitete. Die Hütte wurde nicht wieder aufgebaut. In den späteren Jahrzehnten strich lauer Frühlingswind über die wenigen Sumpfgräser hinweg, goldene Sonnentage ließ wandernde Jugend singend zu den Zwergsteinen vorüber ziehen, stürmender Herbst streute fallende Blätter ins trübe Gewässer und zuletzt deckte der Winter mit weißem Kleide die vereinsamte Stäte zu.
Quelle:
Verfasser: Heinrich Wesner SGB 2/1954
Das folgende Bild zeigt eine Szene aus dem Märchenspiel "Zwergkönigs Geburtstag", gespielt von der Schule Görtelsdorf im Jahre 1923 vor dem Hintergrund der Zwergsteine.
Görtelsdorf - das Drei-Mühlen-Dorf
Der Dorfbach in Görtelsdorf, dessen klares Wasser aus den Quellen hinter dem Totenkopf aus der Gemarkung Trautliebersdorf (Lehngut Kolbe) stammte, setzte in den vergangenen Jahrhunderten während seines Laufes durch die Gemarkung Görtelsdorf die Räder der Ober-, Mittel- und Nieder-mühle in Gang.
Bald nach Verlassen der engen Talmulde zwischen Totenkopf und Schanzenlehne lief dieses Wasser über das Rad der Obermühle, die am Abzweigungsweg nach Kindelsdorf stand und sich im Besitz der Familie Ansorge befand. Sie wurde aber ca. 1890 stillgelegt und die gewerblichen Räume unter dem letzten Besitzer (Bastisch) zu Wohnungen ausgebaut und vermietet. Da noch
8 ha Acker und Wiese zum Eigentum des Mühlengrundstückes gehörten, bildete nunmehr der landwirtschaftliche Besitz die Haupteinnahmequelle für der Besitzer der Obermühle von Görtelsdorf.
Verfolgen wir nunmehr den Bach in westlicher Richtung, so stehen wir nach kaum 500 Metern bereits vor der Mittelmühle, die bis 1945 dem letzten Besitzer Robert Kießling gehörte. Die höher gelegenen Nachbardörfer Kindelsdorf, Trautliebersdorf und Konradswaldau, die selbst keine Mühlen infolge Wassermangels besaßen, waren sein Arbeitsgebiet für die Müllerei. Nebenbei führte ihn sein Handel mit landwirtschaftlichen Produkten in das nahe Waldenburger Industriegebiet.
Weiter fließen die Wasser des Dorfbaches etwa 600 Meter unterhalb der Mittelmühle, um zwei Räder der Niedermühle in Bewegung zu setzen, wovon das eine dem Mühlenbetrieb und das andere dem Sägewerk diente. Da sich der Eigentümer Paul Ermlich noch zusätzlich mit dem Handel von Dünge- und Futtermitteln, sowie Steinkohlen und Briketts befasste, konnte man diesen Betrieb infolge seiner Vielseitigkeit als rentabel und gut bezeichnen. Selten standen die Wasserräder still. Kaum waren die Geräusche des Mahlens, Schrotens und Quetschens der verschiedenen Körnerarten des Getreides verklungen, fraßen sich die scharfen Sägen des Sägewerkes auf der anderen Seite, vom zweiten Wasserrad angetrieben, durch die von den ortsansässigen Bauern und Waldbesitzern angefahrenen Stämme aus ihren Nadel- und Laubwaldbeständen, um dann als Bretter, Bohlen und Kantholz das Sägewerk wieder zu verlassen.
Quelle:
Verfasser: Heinrich Wesner SGB 13/1958
Die Mittelmühle - Mühlenbesitzer: Robert Kießling
Partie am Mühlenbach
Die Mittelmühle
(Bild von Herrn Tilman Taube - Aufnahme: 1999)
Die Niedermühle
(Bild von Herrn Tilman Taube - Aufnahme: 1999)
Die Obermühle
(Bild von Herrn Tilman Taube - Aufnahme: 1999)
Die Pohlkapelle:
Welche Verbindung besteht zwischen dem Haselbacher Gerichtskretscham und der Pohlkapelle in Görtelsdorf?
Den wenigsten Leserinnen und Lesern wird bekannt sein, dass zwischen dem Haselbacher Gerichtskretscham und der Pohlkapelle in Görtelsdorf eine Verbindung besteht. Sie reicht weit zurück und führt uns in die Zeit des 30-jährigen Krieges.
Das Vorhandensein eines Scholzen in Haselbach wird erstmals im Jahre 1400 urkundlich erwähnt. Damals gehörte Haselbach noch zum Grüssauer Klosterbesitz. Der Name des Scholzen ist allerdings nicht bekannt. Das heute noch bestehende Gebäude des früheren Gerichtskretschams soll angeblich aus dem Jahr 1546 stammen. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte der Kretscham mehrfach den Besitzer. Die letzten Eigentümer vor der Vertreibung waren die Eheleute Oley (ab 1935). Davor war der Gerichtskretscham seit ca. 1860 mit einigen Unterbrechungen im Besitz der Familien Scholz/Rummler (meines Ur-Urgroßvaters Carl Gottlieb Scholz sowie meiner Urgroßmutter Pauline Rummler, geb. Scholz).
Anhand der katholischen und evangelischen Kirchenbücher von Landeshut und Haselbach konnte bisher nachgewiesen werden, dass die Scholtisei in Ober-Haselbach fast 2 Jahrhunderte im Besitz einer Familie Pohl war. Im Jahr 1622 wird Georg Pohl als Erb- und Gerichtsscholze in Ober-Haselbach erwähnt. Sein Sohn Johannes heiratete ca. 1630 Elisabeth Friedrich aus Görtelsdorf und wird durch diese Einheirat später Vorwerksbesitzer in Görtelsdorf. Die Überlieferung besagt, der gebürtige Ober Haselbacher Johannes Pohl sei während des 30-jährigen Krieges erschlagen worden, und deshalb sei an dieser Stelle die zum Hof gehörende Pohlkapelle errichtet worden.
Über diese Pohlkapelle gibt es folgende Sage, die aus dem Sagenbüchlein des Hauptlehrers W. Patschowsky aus Liebau stammt:
Im Jahre 1632 drangen zügellose Kriegerhorden auch bis nach Grüssau und verübten dort die schrecklichsten Greueltaten. Zu dieser Zeit lebte im Palmenvorwerk zu Görtelsdorf ein frommer, bejahrter Mann mit Namen Pohl, der durch Fleiß und Sparsamkeit ein bedeutendes Vermögen erworben hatte. Die Soldaten hatten auch sein Vorwerk ausgeplündert, und nur ein einziges Schaf war übrig geblieben. Das hätte Pohl gerne für sich behalten; aber auch dieses letzte Stück Vieh wurde von den schwedischen Soldaten weggetrieben. Pohl ging den Soldaten nach und bat um die Rückgabe des Schafes, aber die Schweden hatten kein Erbarmen. Mit unglaublicher Rohheit fielen sie über den wehrlosen Greis her und erschlugen ihn mit den Flintenkolben. An der Stelle, wo die Schweden diese Bluttat vollbrachten, ist eine Kapelle erbaut worden, welche den Namen Pohlkapelle führt.
Diese schlichte, einfache Kapelle stand in Görtelsdorf unweit des Palmenhofes an der Weggabelung zur Hauptstraße nach Neuen und dem Fußweg ins Niederdorf. Die Tür war mit einem kleinen Holzgitter versehen. An der Nordwand stand ein schlichter Altar und rechts und links davon befanden sich zwei fast lebensgroße Heiligenfiguren, die aus Lindenholz geschnitzt waren.
Abschließen möchte ich diesen Bericht mit einigen Versen eines Gedichtes des Lehrers Hellwig, der um 1880 an der Görtelsdorfer Schule tätig war und das grausige Geschehen in Gedichtform für die Nachwelt festgehalten hat:
Unfern Grüssau - hin nach Böhmen,
bei dem Orte Görtelsdorf,
steht an einesam öder Stelle
eine niedrige Kapelle
dicht am Fußweg in das Dorf.
Dort am Weg, auf freiem Feld,
wo der Pohl erschlagen ist,
auf der blutgetränkten Stelle,
baute man die Pohlkapelle,
wo sie noch zu sehen ist.
Führt dein Pfad dich da vorüber,
Wanderer, laß ruhn den Stab,
bet` zu Gott mit frommer Bitte,
dass er vor der Sünd` dich behüte -
denn sobald gräbt man dein Grab.
Bis November 2022 waren von der Pohlkapelle nur noch Ruinen vorhanden, s. folgendes Foto, das Herr Marian Gabrowski zur Verfügung stellte. Danach baute Herr Piatkowski die Pohlkapelle an der alten Stelle und unter Verwendung der alten Materialien wieder auf. Die Bilder der neuen Kapelle stellte der Sohn, Herr Przemyslaw Piatkowski, zur Verfügung.
Bild von Herrn Marian Gabrowski
Blick auf die neue Pohlkapelle im Vordergrund
(Bild von Herrn Przemyslaw Piatkowski)
Die neue Pohlkapelle
(Bild von Herrn Przemyslaw Piatkowski)
Innenansicht der neuen Pohlkapelle
(Bild von Herrn Przemyslaw Piatkowski)
Alte Flurnamen in Görtelsdorf:
- Böcks, Fritz: Die Flurnamen im Ziedertal in Zeitschrift "Der Wanderer im Riesengebirge, Heft Nr. 10/1925
Görtelsdorf ist eine Ortschaft, die viel im Dreißigjährigen Krieg gelitten hat. Während einer Wanderung werden folgende Flurnamen dargestellt. Ein lieblicher Anblick fesselt zuerst den Blick auf eine Reihe turmhoher Felsen "Zwergsteine", auch "Klein Adersbach" genannt. Auch diese waren einst, als sie noch von Urwald umgeben waren, die Zufluchtsstätte der Einwohner in den kriegerischen Zeiten. In ihrer Umgebung berühren wir den "Goldenen Berg", "Hexenhügel", das "Schmiedegrubenstück", das "Sendenstück", auf der "Flegelei", das "Gewölbestück", das Grundstück "Fauler Hund", das "Heidenstück", den "Wagenschmierhügel" und das "Kapellenstück" mit der "Pohlkapelle". Sie wurde zum Andenken an den von Schweden ermordeten Pächter Pohl des früheren Klostervorwerkes "Palmenhof" erbaut. In der Nähe befinden sich das "Romhüttenstück" und das "Kienrußhüttenstück", die an früher hier beschäftigte Köhler erinnern. Der "Glashüttenhügel" zeugt noch von der einst hier vorhanden gewesenen Glashütte. Es folgen die Felder das "Damenbrett" und die "Schinderlehne".
Etwas abseits von Görtelsdorf erhebt sich der Streitberg, im Volksmund "Strittig" genannt. Dieser war vor Jahrhunderten ein Zankapfel zwischen dem Fürsten Pleß und einem Abt des Klosters Grüssau, da jeder behauptete, ihm gehöre der Berg mit seiner schönen Waldung. Vor der letzten vereinbarten Zusammenkunft auf der "strittigen Höhe" kam nun der Abt auf die drollige Idee, sich im Klostergarten vor der Ausfahrt recht dick Erde auf die Schuhsohlen kleben zu lassen. Als nun der Fürst auch eintraf, zeigte ihm der Abt die Schuhsohlen mit den Worten: "Durchlaucht, ich stehe hier auf meinem Grund und Boden." Lachend über die List überließ der Fürst dem Prälaten den "Streitberg". Am Ende des Dorfes steht auf freiem Feld ein riesiger Felsen, "Teufelsstein" genannt. Von ihm erzählt die Sage, ihn habe der Teufel hier aus Wut darüber fallen lassen, weil einige Spieler im benachbarten Kretscham den Karfreitag nicht durchspielten, sondern den Gründonnerstag um 12 Uhr nachts aufhörten. Der Stein sollte das Gasthaus zerschmettern, ein Engel lenkte ihn aber ab.
Bericht aus der Zeitung "Der Bote aus dem Riesengebirge",
Heft Nr. 86/1856