Familie Hamburger aus Schmiegel
(Verfasser: Hella Tegeler)
In Schmiegel - nördlich von Fraustadt gelegen - stand die Wiege der Familie Hamburger. In einer Urkunde von 1428 heißt der Ort Smigel. Die Gegend war schon früh besiedelt. Im Bereich der Stadt sind Begräbnisstätten aus heidnischer Zeit gefunden worden. Die aus einem Dorf hervorgegangene Ortschaft soll schon vor 1400 Stadtrechte gehabt haben.
Von 1887 bis 1918 war Schmiegel Kreissitz des preußischen Kreises Schmiegel in der Provinz Posen. Nach dem Ersten Weltkrieg musste Schmiegel aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages an die Zweite Polnische Republik abgetreten werden. Nach der deutschen Besetzung 1939 und der Wiedereingliederung in das Deutsche Reich gehörte die Stadt bis 1945 zum Landkreis Kosten im deutschen Besatzungsgebiet Reichsgau Wartheland.
Jüdische Familien sollen bereits um 1400 in Schmiegel ansässig gewesen sein, denn am 11. November 1415 wurde der Stadt der Garten, " welcher da heißet der Judenplatz", geschenkt. Später wurden Juden in Schmiegel nicht geduldet. Erst seit dem Lissaer Brand im Jahre 1767 wohnte wieder eine "ziemliche Anzahl von Juden, welche mit Einwilligung der Grundherrschaft auch eigentümliche Häuser haben". Im Jahre 1857 lebten in Schmiegel 77 jüdische Familien, es gab eine Synagoge und eine jüdische Schule. Zu den Vorstehern der jüdischen Gemeinde gehörten u. a. auch Mitglieder der Familie Hamburger.
Die Familie Hamburger war in Schmiegel zahlreich vertreten und weit verzweigt. Soweit bekannt, ist der Spitzenahn der Familie der Kaufmann Meier Hamburger, der am 11.03.1822 in Schmiegel verstarb. Aus seiner Ehe mit Nachem Süsskind stammen 6 Kinder u. a. Zacharias Hamburger, Großvater des Firmengründers der Albert Hamburger AG in Landeshut. Sohn "Itzig" Zacharias Hamburger (kurz I. Z. Hamburger), der Vater des Firmengründers, handelte mit Textilien. Im Jahre 1829 eröffnete dieser in Schmiegel einen Laden für Leinen und Textilien. Zu diesem Zeitpunkt war er erst 18 Jahre alt und hatte ein Jahr zuvor Henriette Löwenthal geheiratet. Trotzdem wagte er aber den riskanten Schritt in die Selbstständigkeit. Er handelte "en gros", die Ware beschaffte er auf den Messen in Frankfurt/Oder und Leipzig und durch die Belieferung von Jahrmärkten erweiterte er seinen Kundenkreis. Mit einem dreispännigen Fuhrwerk zog er wöchentlich von Sonntag bis Donnerstag über Land. Frühmorgens lieferte er seine Waren an die Kleinhändler, die dem Jahrmarktspublikum ihre Angebote machen wollten. I. Z. Hamburger musste also sehr zeitig am Markt präsent sein; die Fahrten wurden oft in die Nacht gelegt. Sein ältester Sohn Hermann erinnerte sich später: "Man nannte damals den Handel meines Vaters "das Geschäft der drei Ellen" (Leinwand - Leder - Lumpen). Die Jahrmärkte verteilten sich auf die Tage Montag bis Donnerstag, der übrige Teil der Woche blieb frei. Der Handel befand sich damals ganz in den Händen der jüdischen Kaufleute, und so konnten die Behörden nicht umhin, bei Festsetzung der Jahrmärkte Rücksicht auf die jüdischen Feiertage und Ruhetage zu nehmen.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Firma zu einem erfolgreichen Unternehmen, welches nicht nur in der Provinz, sondern auch in der Stadt Posen bekannt wurde. Im Jahre 1857 zog "Itzig" Zacharias Hamburger mit seiner Familie nach Breslau. Hier gründete er die Firma I. Z. Hamburger & Co. und betrieb sie ab 1870 gemeinsam mit seinen drei Söhnen Hermann, Heinrich und Albert. Sie entwickelten das Geschäft zu einem der führenden Breslauer Textilhäuser.
Während "Itzig" Zacharias Hamburger geschäftliche Erfolge erzielen konnte, musste er privat einen schweren Schicksalsschlag verkraften. Seine Ehefrau Henriette verstarb bereits am 25.02.1840. Zu diesem Zeitpunkt war sein Sohn Hermann erst drei Jahre alt. Im Jahre 1841 heiratete er seine Cousine Minna Hamburger. Aus dieser Ehe stammen 5 Kinder, Heinrich, Albert, Rosa, Hulda und Karl.
Albert, der Jüngere der drei Brüder, begab sich 1871 nach Landeshut und gründete in diesem Jahr eine Mechanische Leinenweberei, Färberei und Ausrüstungsanstalt, die seinen Namen erhielt. Verheiratet war Albert Hamburger mit Eugenie Löwenthal. Während der Ehe wurden drei Söhne geboren, Hugo (1878 - 1895), Felix (1882 - 1901) und Max (1887 - 1985).
Zum Gedächtnis an seinen so früh verstorbenen ältesten Sohn Hugo schenkte Albert Hamburger im April 1895 dem Landeshuter Realgymnasium 3.600 Mark.
(Quelle: Reier, Theodor: Geschichte des Realgymnasiums
zu Landeshut ab 1866)
Nach dem Tod seines Sohnes Hugo zog er völlig resigniert mit seiner Ehefrau Eugenie nach Berlin. Hier verstarb er am 12. April 1901. Sohn Felix folgte ihm nur 3 Monate später, am 8. Juli 1901. Eugenie Hamburger starb am 2. Juli 1928.
Anzeige aus der Zeitung "Berliner Tageblatt" vom 16.04.1901.
Anzeige aus der Zeitung "Berliner Tageblatt" vom 09.07.1901.
Anzeige aus der Zeitung "Berliner Tageblatt" vom 04.07.1928.
Albert Hamburgers Nachfolger wurde Ende 1890 sein Neffe Max (Sohn seines Bruders Hermann) - der spätere Stadtrat Max Hamburger - (s. folgendes Bild), da sein eigener Sohn - ebenfalls Max, der spätere Dr. Max Hamburger - zu diesem Zeitpunkt noch zu jung war.
Max Hamburger wurde am 15.02.1868 als Sohn der Eheleute Hermann Hamburger und Henriette Hamburger geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugend in Breslau. Nach der Schulausbildung besuchte er die Webschule in Krefeld und begab sich dann nach Landeshut in die Firma seines Onkels Albert. Diese hatte sich inzwischen wesentlich vergrößert. Im Gründerjahr 1871 trat sein Onkel Albert zunächst als Unternehmer in dem Sinne auf, dass er Garne kaufte und diese von den im Kreis Landeshut ansässigen Handwebern im Lohn verarbeiten ließ. Wie die anderen Unternehmer erkannte aber auch Albert Hamburger, dass sich die Zeit der Handweberei dem Ende näherte und so beschaffte er die ersten mechanischen Webstühle. Bereits 1885 wurde die große Weberei mit Appreturanstalt erbaut, die sich im Laufe der Jahre zu einem bedeutenden Industriewerk mit 620 Webstühlen und 750 Arbeitskräften entwickelte.
Nach dem Ausscheiden des Gründers übernahm Max Hamburger die Leitung der Firma und führte diese nicht nur erfolgreich im Sinne seines Onkels fort, sondern vergrößerte sie auch. Das gesamte Areal der Firma umfasste eine Fläche von 110 x 150 m, begrenzt im Norden durch die Roonstraße, im Osten durch die Maschinenfabrik Bauch, im Süden durch die Boberwiesen und im Westen durch die Perschkestraße. Im Jahre 1907 wurde das neue Bürohaus an der Bahnhofstraße gegenüber dem Wohnhaus der Familie Max Hamburger erbaut.
1918 wurde der 20 Jahre jüngere Cousin gleichen Namens in die Unternehmungsführung aufgenommen. Die beiden bildeten ein sehr ungleiches Duo; dies kam auch in den Namen zum Ausdruck, die ihnen die Belegschaft gab: "der Stadtrat" und der "Doktor". Der Stadtrat war der ältere Max. Sein Gestaltungs- und Geltungsinteresse war nicht auf das Fabrikmilieu begrenzt. Die Stadt Landeshut wählte ihn in den Magistrat, machte ihn zum Stadtrat, und einen ähnlich klangvollen Titel erhielt er durch seine Mitwirkung in der regionalen Industrie- und Handelskammer.
Im Jahre 1922 beschloss die Familie Hamburger eine Strukturänderung ihres Landeshuter Unternehmens: Die Weberei wurde 1922 zur Albert Hamburger Aktiengesellschaft. Die Gründer der AG gehörten sämtlich zur Familie: der "Stadtrat" und der "Doktor", beide mit Vornamen Max; der Fabrikbesitzer Alfred Hamburger, der Student der Naturwissenschaften Viktor Hamburger und das Fräulein Leonore. Alfred war ein Cousin der beiden Vorgenannten, Sohn des Heinrich Hamburger. Er leitete die Breslauer Firma I. Z. Hamburger GmbH, die sich zur Großhandlung von Baumwoll- und Leinenwaren, mit angeschlossener Leinenweberei entwickelt hatte. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Maria Seelhorst, einer Künstlerin, spielte er auch im Breslauer Kulturleben eine aktive Rolle. Viktor war des Stadtrats ältester Sohn, und Leonore vermutlich eine Nichte.
Die Firma Albert Hamburger A.G. (Aufnahme: vor dem Krieg)
Gebäude der früheren Firma
Albert Hamburger A.G. - heute
(Quelle: fotopolska)
Gebäude der früheren Firma
Albert Hamburger A.G. - heute
(Quelle: fotopolska)
Gebäude der früheren Firma
Albert Hamburger A.G. - heute
(Quelle: fotopolska)
Zwischenzeitlich hatte Max Hamburger Else Gradenwitz aus Breslau geheiratet, Tochter des Bankiers und Handelsrichters Eduard Gradenwitz und dessen Ehefrau Rosa, geb. Feige. Aus dieser Ehe gingen drei Söhne hervor, Victor, Rudolf und Otto. Victor Hamburger (1900 - 2001) wurde ein überaus bekannter Entwicklungsbiologe und Pionier der Neuroembryologie, der mit Ehrungen überhäuft wurde. Er erhielt u. a. Ehrendoktorwürden der Washington University, der Universität Uppsala und der Rockefeller University. Sohn Rudolf (1903 - 1980) arbeitete etliche Jahre als Architekt in Shanghai und der jüngste Sohn Otto wurde Unternehmer.
Neben seinen umfangreichen und verantwortungsvollen Tätigkeiten im Betrieb beteiligte sich Max Hamburger auch aktiv am öffentlichen Leben. Er wirkte viele Jahre als Stadtrat zum Wohle Landeshuts und brachte hier seine umfangreichen Kenntnisse ein. Vorbildlich waren auch die sozialen Einrichtungen der Firma Hamburger. Für die Arbeiter wurden in den Jahren 1907 bis 1908 die sogenannten "Hamburger - Häuser" errichtet. Als Bauplatz wurde ein Gelände außerhalb der Stadt gewählt, zwischen der Seidenweberei und der Brauerei, die spätere Reußendorfer Straße. Die Anregung zum Bau dieser Kolonie soll Stadtrat Max Hamburger angeblich von Alfred Krupp aus Essen erhalten haben. Die Kolonie selbst bestand aus viermal fünf Einfamilienhäusern, die aneinandergebaut waren, ähnlich den heutigen Reihenhäusern, jedoch nicht in der Einförmigkeit der modernen Bauten. Jedes Haus hatte seinen eigenen Charakter, so dass trotz des einheitlichen Baustiles eine Auflockerung erreicht wurde. Zu jedem Haus gehörten zwei Gärten, ein kleiner 30 qm großer Vorgarten und ein 130 qm großer Gemüsegarten hinter dem Haus. Vor der unteren Häuserreihe wurde eine mit Bäumen und Sträuchern bepflanzte Grünflache angelegt. Die beiden vorderen Reihen waren durch einen überdachten Durchgang verbunden, den eine Turmuhr krönte.
Entworfen wurden diese Häuser von den Breslauer Architekten Regierungsbaumeister a. D. R. und P. Ehrlich. In ihren Händen lag auch die örtliche Bauleitung. Die Baukosten einschließlich Architektenvergütung für ein Haus beliefen sich auf 7.300 Mark. Hinzu kamen für die Außenanlage (Zäune, Wege, Be- und Entwässerung) für jedes Haus etwa 1.100 Mark.
(Quelle: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 61 vom 30. Juli 1910)
Blick auf die Hamburger-Häuser im Vordergrund.
Die Hamburger - Häuser
(Bild von Herrn Bartosz Bebenek)
Die Hamburger - Häuser
(Quelle: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 61 vom 30.07.1910)
Die Hamburger - Häuser
(Quelle: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 61 vom 30.07.1910)
Die Hamburger - Häuser
(Quelle: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 61 vom 30.07.1910)
Querschnitt eines Hamburger - Hauses
(Quelle: Zentralblatt der Bauverwaltung,
Nr. 61 vom 30.07.1910)
Grundriss der Hamburger-Häuser
(Bild von Herrn Bartosz Bebenek)
Grundriss der Hamburger-Häuser
(Bild von Herrn Bartosz Bebenek)
Am 10. Oktober 1909 fand auf der Wiese hinter den Hamburger-Häusern das erste Kinderfest der Kolonie statt.
Im Jahre 1917 stiftete Stadtrat Max Hamburger der Stadt Landeshut 60.000 Mark zum Bau eines Hauses für die Mütterberatungsstelle und die Kleinkinderbewahranstalt. Das Haus wurde nach Ende des Krieges am Beuchelplatz errichtet und trägt den Namen der Ehefrau des Stifters, das "Else-Hamburger-Haus" (s. folgendes Bild). Zwei weitere Spender kamen im Jahr 1917 hinzu: Dr. Max Hamburger spendete 10.000 Mark und Hermann Hamburger, der Vater des Stadtrates Max Hamburger, stiftete 5.000 Mark.
Das Else-Hamburger-Haus
Im Else-Hamburger-Haus
Da es sich bei der Albert Hamburger AG um eine jüdische Firma handelte, führten die politischen Maßnahmen der dreißiger Jahre zwangsläufig zu einem Rückgang der Umsätze. Am 28.02.1934 wurde über das Vermögen der Firma das Konkursverfahren eröffnet. Als Nachfolgerin wurde die "Mechanische Weberei Landeshut AG" gegründet. De facto war die Albert Hamburger AG nicht aufgelöst, sondern wie es damals hieß "arisiert" worden. Max Hamburger und auch sein Vetter Dr. Max Hamburger hatten zwar erwartet, in der neuen Gesellschaft noch gewisse Aufgaben übernehmen zu können, aber ihre Hoffnung erfüllte sich nicht.
1937 verließen Max und Else Hamburger Landeshut und begaben sich nach Berlin. Hier erkrankte Else Hamburger schwer und verstarb am 20.07.1937. Nach dem Tod seiner Frau reiste Max Hamburger zunächst für acht Wochen zu seinem Sohn nach Shanghai und anschließend besuchte er seinen ältesten Sohn Professor Dr. Victor Hamburger in St. Louis. Für kurze Zeit kam er im Jahre 1938 noch einmal nach Deutschland zurück und ging im selben Jahr für zwei Jahre erneut nach Shanghai, um dann zunächst endgültig nach St. Louis überzusiedeln. Einige Jahre später verließ er jedoch die Vereinigten Staaten von Amerika und verbrachte seine letzten Lebensjahre in Saint-Aubin Sauges in der Schweiz. Hier verstarb er am 14.05.1952.
Die folgenden Bilder zeigen einige Betriebsräume:
Die Färberei
Die Weberei
Webstühle für Frotteehandtücher um 1927
Die Näherei
Aufenthaltsraum der mechanischen Weberei Albert Hamburger
(Aufnahme: 1. Mai 1937)
Kaufmännische Angestellte der Firma Hamburger im Jahre 1922
Die Werkmeister der Firma Hamburger - Mitte 1920
Die Webmeister der Firma Hamburger im Jahre 1927
Die Webmeister während eines Ausfluges im Jahre 1925
Gesangvereine:
Einige Mitarbeiter der Firma Hamburger hatten den Gesangverein" Heiterkeit" gegründet.
Daneben gab es auch einen Frauenchor. Beide Chöre leitete Franz Krause.
Später gab des den Männerchor "Landeshut Stadtpfeifer" unter der Leitung des Dirigenten Pfeiffer.
Der Gesangverein "Heiterkeit" der Firma Hamburger.
Der Frauenchor der Firma Hamburger.
Die "Landeshuter Stadtpfeifer"
Die "Landeshuter Stadtpfeifer" waren Betriebsangehörige der Mechanischen Weberei Landeshut AG (vormals Albert Hamburger AG). Sie pfiffen auch nicht, sondern sie sangen. Die Namens-bezeichnung ist wohl auf ihren Dirigent Pfeiffer zurückzuführen. Die Gruppe bestand aus zwölf Sängern, davon bildeten vier Sänger eine Reserve, für den Fall, dass einer aus wichtigem Grund einmal fehlte.
Gegründet wurde der Chor von Direktor Elsner, Betriebsleiter der Mechanischen Weberei Landeshut AG. Die Sänger kamen aus allen Abteilungen: Buchhaltung, Weberei, Schlosserei, Schlichterei, Ausrüstung usw.. Geübt wurde wöchentlich jeweils eine Stunde vor Betriebsende. Diese Stunde galt als Arbeitszeit und wurde auch bezahlt. Aufgenommen wurden nur Männer mit guter Stimme und musikalischem Gehör. Im Laufe der Jahre wurde der Chor immer bekannter.
Eines Tages beabsichtigte der Volkssender Berlin eine Veranstaltung durchzuführen, an der nur Laienkünstler teilnehmen durften. Natürlich musste vorher eine Auslese getroffen werden. Zunächst fand in allen größeren Orten Deutschlands (darunter auch in Landeshut) eine Art Wettbewerb in Form eines bunten Abends statt. Es beteiligten sich Sänger, Zauberkünstler, Komiker oder Musiker. Auch Chöre und Musikgruppen waren zugelassen, aber auch hier nur Laien. Selbstverständlich beteiligten sich auch die Stadtpfeifer an diesem Wettbewerb, der im Kaisersaal stattfand. Auch die kleine Werkskapelle der Mechanischen Weberei gehörte zu den Mitwirkenden. Die Besten dieses Wettbewerbs durften an der nächst höheren Stufe eines weiteren Wettbewerbs, der einige Wochen später in Hirschberg stattfinden sollte, teilnehmen. Von den Landeshuter Laienkünstlern wurden die Stadtpfeifer und die Werkskapelle für würdig befunden, ihre Kräfte mit anderen Auserwählten aus ganz Niederschlesien zu messen. In Hirschberg wurden schon strengere Maßstäbe angelegt. Umso größer war die Freude, dass die Stadtpfeifer wieder unter den Besten waren. Das nächste Ausleseverfahren sollte in Glatz stattfinden. Die Werkskapelle war leider ausgeschieden.
In Glatz, wo die Besten aus ganz Schlesien teilnahmen, wurde nun endgültig entschieden, wer an der großen Veranstaltung am Berliner Funkturm mitwirken durfte. Natürlich gab jeder sein Bestes. Die Stadtpfeifer übten kurz vor Beginn nochmals die beiden Lieder, die ihr Dirigent vorgesehen hatte, zwei volkstümliche Lieder "Schwarzbraun ist die Haselnuss" und "Lisa", das bekannte Soldatenlied, beide vom Chorleiter für Männerchor besonders bearbeitet. Nach ihrem Auftritt war der Beifall sehr groß, aber die Entscheidung wurde erst am Ende der Veranstaltung bekannt gegeben. Voller Spannung warteten die Stadtpfeifer auf den Juryspruch. Schließlich waren in Glatz nur gute Kräfte angetreten. Endlich verlas der Schiedsrichter die Namen der Auserwählten. Und was die Stadtpfeifer zwar im Stillen erhofft hatten, trat ein, sie waren dabei, sie durften mit nach Berlin. Voller Freude fuhren sie nach Landeshut zurück, um ihrem Betriebsleiter das Ergebnis mitzuteilen. Der freute sich natürlich mit ihnen und verkündete, dass die Firma sämtliche Kosten für die Fahrt nach Berlin übernimmt. Bis dahin wurde aber noch kräftig geprobt.
Es war aber noch eine Hürde zu überspringen. Der Reichssender Breslau sandte nämlich zu allen, die für Berlin vorgesehen waren, einen Funkwagen mit entsprechenden Fachleuten, um zu prüfen, inwieweit die Darbietungen auch "funkreif" waren. Auch wenn der Chorleiter geglaubt hatte, seine Sänger seien bestens vorbereitet, so musste er sich von den Breslauern eines Besseren belehren lassen. Mindestens viermal mussten die Lieder wiederholt werden, jedesmal wurden sie auf Tonband aufgenommen und sofort wieder abgespielt. Dieses und jenes wurde beanstandet, die Aufstellung der Sänger, der Rhythmus, die Aussprache und noch manches andere. Aber nach zwei Stunden zogen die Herrschaften wieder ab, mit der Versicherung, dass alles in Ordnung sei, und der Fahrt nach Berlin nichts mehr im Wege stehe.
An einem schönen Samstagmorgen fuhren die Stadtpfeifer nach Berlin. Für den größten Teil der Sänger war es die erste Fahrt in die Hauptstadt. Am Sonntagvormittag trafen die Mitwirkenden aus allen Teilen Deutschlands am Funkturm ein, u. a. der Männerchor einer bekannten Brauerei, eine Trachten-Singegruppe aus dem Schwarzwald, eine Instrumentalgruppe aus dem Rheinland, Solisten aus Pommern, aus Ostpreußen, aus Bayern und aus Schleswig-Holstein. Auch die Landeshuter Stadtpfeifer zeigten, was sie können. Und nach dem Beifall zu urteilen, waren auch die Zuhörer von ihren Leistungen begeistert. Am meisten beeindruckte wohl die Sänger der Gedanke, dass ihre Lieder nicht nur von den Anwesenden, nicht nur daheim am Rundfunk-empfänger von ihren Angehörigen und Freunden, sondern vom ganzen deutschen Volk gehört wurden.
Quelle:
- Schlesischer Gebirgsbote, Heft Nr. 13/1965
Der Männerchor "Die Landeshuter Stadtpfeifer"
Die Freiwillige Betriebsfeuerwehr der Firma Hamburger:
Mitglieder der Freiwilligen Betriebsfeuerwehr im Jahre 1933
Mitglieder der Freiwilligen Betriebsfeuerwehr während eines Ausfluges zum Hochwald im Jahre 1933
Ferienheim der Firma Hamburger in Klein Aupa:
Das Ferienheim der Firma Hamburger
Betriebsangehörige der Firma Hamburger während eines Ferienaufenthaltes
Das Ferienheim
Betriebsangehörige der Firma Hamburger während eines Ferienaufenthaltes.
Von links nach rechts: Herr und Frau Irrgarten, Kurt Schiller, Hedi Schiller, Elfriede Mitzka und Martel Fiedler.
Notgeldschein der Firma A. Hamburger
Notgeldscheine der Firma A. Hamburger
(Quelle: Frau Agnieszka Bialoglowska)
Quellen:
- Allg. Zeitung des Judentums, Hefte 1 und 9/1917
- Ancestry
- Datenbank der Opfer in Theresienstadt
- Family Search (Mikrofilm - jüdische Gemeinde Landeshut)
- Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
in Deutschland 1933 - 1945
- Initiative Heidelberger Stolpersteine
- Lembke, Hans H.: Die Schwarzen Schafe bei den Gradenwitz und Kuczynski - Trafo
Verlagsgruppe Dr. Wolfgang Weist, 2008
- My Heritage
- Tauf- und Traubücher der jüdischen Gemeinde Landeshut bei dem Staatsarchiv Jelenia Góra
- Schlesischer Gebirgsbote
- Unterlagen des Standesamtes Landeshut bei dem Staatsarchiv Jelenia Góra
- Wikipedia, die freie Enzyklopädie
- Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer
- Zentralblatt der Bauverwaltung, Heft 61/1910
Nachfolgend der Stammbaum der Familie "Itzig" Zacharias Hamburger:
I. Generation:
"Itzig" Zacharias Hamburger (Kaufmann) * 14.11.1811 in Schmiegel, + 19.08.1898 in Breslau
1. Ehefrau: Henriette Löwenthal + 1840
Heirat: 1828
Kind: 1. Hermann * 14.08.1837 in Schmiegel, + 1920
2. Ehefrau: Minna Hamburger * 25.09.1820 in Boyinowo, + 05.07.1903 in Breslau
Heirat: 29.07.1841
Kinder: 1. Heinrich * 29.05.1842 in Schmiegel,
+ 09.08.1906 in Dresden - Loschwitz
2. "Albert" Abraham * 1845 in Schmiegel, + 12.04.1901 in Berlin
3. Rosa * 1846 in Schmiegel, + 19.10.1913 in Breslau
4. Hulda * 04.07.1849 in Schmiegel, + 17.08.1923 in Breslau
5. "Karl" Zacharias * 09.07.1860 in Breslau, + 07.10.1914 in Berlin
6. Mathilde
A Kind aus der 1. Ehe des "Itzig" Zacharias Hamburger
II. Generation: Familie Hermann Hamburger
1.1 Hermann Hamburger * 14.08.1837 in Schmiegel, + 1920
Ehefrau: Henriette Hamburger * 1843
Kinder: 1. Julchen
2. Siegfried
3. Max * 15.02.1868, + 14.05.1952 in Saint-Aubin-Sages
III. Generation:
1.1.3 Max Hamburger (Fabrikbesitzer und Stadtrat) * 15.02.1868
+ 14.05.1952 in Saint-Aubin-Sages (Schweiz)
Ehefrau: Else Gradenwitz * 26.08.1873 in Berlin, + 20.07.1937 in Berlin
Kinder: 1. Victor * 09.07.1900 in Landeshut, + 12.06.2001 in St. Louis (USA)
2. Rudolf * 03.05.1903 in Landeshut, + 00.12.1980 in Dresden
3. Otto * 24.06.1907 in Landeshut, + 1997 in London
Else Gradenwitz stammte aus einer sehr bekannten jüdischen Bankiers- und
Unternehmerfamilie, die sowohl in Berlin als auch in Breslau beheimatet war. Ihr Vater
Eduard Gradenwitz arbeitete zunächst in der väterlichen Firma, der "Jacobi Gradenwitz,
Wollhandel u. Commissionsgeschäft". Um 1860 gründete er parallel dazu das "Eduard u.
Emanuel Gradenwitz Commissionsgeschäft". Er führte es zunächst gemeinsam mit
seinem Bruder Emanuel und nach dessen Tod allein. Das Geschäft des Vaters Jacobi
leitete nach ihm vornehmlich dessen ältester Sohn Moritz; er zog sich erst 1880 zurück.
Eduard übernahm dann auch dort das Ruder, lenkte die Firma noch kurz unter seiner
eigenen Adresse und löste sie dann auf. Eduard Gradenwitz war seit 1901 auch
Handelsrichter. Er starb im Jahre 1911.
IV. Generation:
1.1.3.1 Prof. Dr. Victor Hamburger (Biologe) * 09.07.1900 in Landeshut
+ 12.06.2001 in St. Louis (USA)
Ehefrau: Martha Fricke (Lehrerin) * 19.04.1898, + 1965
Kinder: 1. Carola
2. Doris
Prof. Dr. Victor Hamburger war ein deutscher Entwicklungsbiologe und Pionier der
Neuroembryologie. Er studierte Zoologie in Breslau, Heidelberg und München und
ging 1920 an die Albert-Ludwig-Universität Freiburg zu Hans Spemann, wo er 1925
mit einer Arbeit über den Einfluss des Nervensystems auf die Extremitäten-
Entwicklung bei Fröschen promovierte. Nach Assistenzjahren bei Alfred Kühn in
Göttingen und Otto Mangold in Berlin kehrte er als Privatdozent nach Freiburg
zurück. 1932 konnte er durch ein Stipendium der Rockefeller-Stiftung zu dem
Zoologen Frank Rattray Lillie an die University of Chicago gehen. 1933 wurde er
wegen seiner jüdischen Herkunft in Freiburg entlassen, wodurch ihm eine Rückkehr
nach Deutschland verwehrt war. Ihm gelang jedoch eine wissenschaftliche Karriere in
den USA; 1935 wurde er Assistant Professor, 1941 Professor und Chairman des
Departments für Zoologie an der Washington University in St. Louis, wo er bis nach
der Emeritierung 1969 blieb. Er erhielt Ehrendoktorwürden der Washington
University, der Universität Uppsala und der Rockefeller University. 1983 wurde er mit
dem Louisa-Gross-Horwitz-Preis, 1989 mit der National Medal of Science geehrt und
1985 erhielt er den Ralph-W.-Gerard-Preis.
Auch die Stadt Kamienna Góra (Landeshut) ehrte ihn im Oktober 2017. Der
Lesesaal der wissenschaftlichen Bibliothek an der Bahnhofstraße 24 trägt seit
diesem Zeitpunkt seinen Namen. In diesem Haus wurde Victor Hamburger
geboren. Bei der Enthüllung der Gedenktafel war auch seine aus Amerika
angereiste Tochter anwesend, Frau Professorin Doris Sloan.
Geburtshaus von Prof. Dr. Victor Hamburger
Bahnhofstraße 24
Enthüllung der Gedenktafel, 2. von rechts. Frau Professorin Doris Sloan
1.1.3.2 Rudolf Hamburger (Architekt) * 03.05.1903 in Landeshut, + 00.12.1980 in Dresden
Ehefrau: Ursula Maria Kuczynski * 15.05.1907 in Berlin, + 07.07.2000 in Berlin
Kind: 1. Michael Pitt * in Shanghai (China)
Rudolf Hamburger war ein deutscher Architekt. Er studierte an der Technischen
Hochschule Berlin-Charlottenburg bei Hans Poelzig Architektur. Nach seiner Heirat mit
Ursula Kuczynski 1929 ging er im Jahre 1930 nach Shanghai, um dort als Architekt für das
Shanghai Municipal Cluncil zu arbeiten. Er wurde dadurch zu einem wichtigen Wegbereiter
für die Entwicklung der modernen Architektur in China. 1933 half er seinem Studienfreund
Richard Paulick bei dessen Flucht nach Shanghai. Gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem
inzwischen geborenen Sohn Michael kehrte er 1937 nach Europa zurück. lebte eine Zeitlang
in Polen und in der Schweiz und ging dann für den militärischen Nachrichtendienst der
Sowjetunion bis 1943 in den Iran. 1943 wurde er in Moskau mit einer fingierten Anklage
verurteilt und in ein Arbeitslager deportiert, aus dem er erst 1952 freigelassen wurde. Bis
1955 lebte er in der Verbannung in der Ukraine. Mit der Hilfe Paulicks konnte er in die DDR
ausreisen. Zeitweise war er danach stellvertretender Leiter für den Aufbau von
Hoyerswerda.
Rudolf Hamburger (ganz links) mit seiner künftigen Ehefrau Ursula Kuczynski und deren Familie im Jahre 1929. Dritter von links: Ursulas Bruder Jürgen neben seiner Ehefrau Marguerite, zweite von rechts Rudolfs Mutter Bertha, geb. Gradenwitz.
Rudolf Hamburger (Links) und Richard Paulick (Mitte) während des Studiums bei einem Besuch auf den Grenzbauden, im Ferienhaus der Familie Hamburger.
Rudolf Hamburger im Jahre 1929
Rudolf Hamburger
Das Victoria Nursus Home in Shanghai. Hierbei handelt es sich um den ersten großen Bau von Rudolf Hamburger als Architekt. Errichtet wurde das Gebäude in den Jahren 1930 - 1933.
Im Jahre 1990 wurde Rudolf Hamburger in Moskau posthum rehabilitiert. Seine Ehefrau
Ursula Kuczynski, von der er sich später scheiden ließ, kannte er schon aus Kindertagen. Die Familien Hamburger, Gradenwitz und Kuczynski waren eng befreundet. Seine Mutter Else war sogar die Großtante von Ursula Kuczynskis Vater.
1.1.3.3 Otto Hamburger (Unternehmer) * 24.06.1907 in Landeshut, + 1997 in London
Nach der Schulausbildung studierte er ab 1926 Maschinenbau an der TH in Berlin-
Charlottenburg. Besonders fesselten ihn die Vorlesungen Georg Schlesingers über
Werkzeugmaschinenbau, und am Ende des Studiums war er entschlossen, sich von
Schlesinger als Assistent für Textilmaschinen engagieren zu lassen. Aber es blieb nur ein
Traum. Im Jahr 1931 beendete er das Studium mit dem Examen. Ebenso wie sein Bruder
Rudolf wanderte auch er nach dem Zusammenbruch der elterlichen Firma nach China aus. Die amerikanische Remington Rand bot ihm eine Stelle an; er übernahm es, deren
"Kardex"-System für die Organisation von Betrieben und öffentlichen Einrichtungen in
Shanghai einzuführen. Ende 1935 wechselte er zum Großunternehmen Jardine`s und
arbeitete zwei Jahre als Vertriebsingenieur in Westchina. Nach dem japanischen Angriff
verlor er seinen Job und ging auf Arbeitssuche, zunächst in Japan, dann in der Mandschurei. Dort erhielt er per Telegramm ein Angebot, das zum Wegweiser seiner künftigen Karriere wurde. Er übernahm in Shanghai die Leitung der Textilmaschinen- Abteilung der Chien Hsin Engineering Co., eines großen Handelshauses, das der deutsche Unternehmer Johann Grodtmann aufgebaut hatte.
Am Kriegsende schloss die Chien Hsin Co. ihre Pforten in Shanghai, und Otto Hamburger entschied sich, zusammen mit Kollegen dort ein eigenes Unternehmen für Maschinen- importe zu gründen. Die Hai Tung Engineering Co. begann mit der Einfuhr gebrauchter Textilmaschinen und etablierte sich als Ausrüster für die rasch wachsende Juteindustrie. Allerdings machte der Bürgerkrieg die Lage im Land zunehmend unsicher. Otto Hamburger, inzwischen chinesischer Staatsbürger, erhielt eine Einwanderungsgeneh- migung nach Brasilien und nutzte diese um zunächst ein Besuchsvisum für England zu erlangen. Dort änderte er seine Pläne. Er beschloss, auf der Insel zu bleiben und - mit 500 Pfund Eigenkapital - die Hai Tung Co. in London neu zu gründen. Das Unternehmen
lebte 25 Jahre mit unveränderter Kapitalbasis. Es startete mit dem Verkauf britischer Radaranlagen an japanische Werften und profilierte sich dann erfolgreich als Lieferant westeuropäischer Spezialmaschinen für Japans Textilindustrie.
V. Generation:
1.1.3.1.1 Dr. Carola Hamburger (Ärztin für innere Medizin
Ehemann: ? Marte
1.1.3.1.2 Prof. "Doris" Elsbeth Hamburger (Geologin)
Ehemann: ? Sloan
B Kinder aus der 2. Ehe des "Itzig" Zacharias Hamburger
II. Generation: Familie Heinrich Hamburger
2.1 Heinrich Hamburger * 29.05.1842 in Schmiegel
+ 09.08.1906 in Dresden-Loschwitz
Ehefrau: Flora Baerwald * 1846, + 28.11.1896 in Breslau
Kinder: 1. Alfred * 07.03.1870, + 20.06.1934 in Breslau
2. Luise * 1871
3. Anna * 05.06.1873 in Breslau, + 20.01.1942 in Berkeley, USA
4. Clara * 05.06.1873 in Breslau, + 05.08.1945 in Berkeley, USA
Anzeige aus der Zeitung "Berliner Tageblatt" vom 11.08.1906.
III. Generation:
2.1.1 Alfred Hamburger (Kaufmann) * 07.03.1870, + 20.06.1934 in Breslau
Ehefrau: Maria Seelhorst * 07.10.1871 in Breslau
Heirat: 1902
Kind: 1. Erika Flora Rosel * 23.01.1904 in Breslau
Alfred Hamburger leitete nach dem Tode seines Vaters Heinrich die Breslauer Firma I. Z.
Hamburger GmbH, die sich zur Großhandlung von Baumwoll- und Leinenwaren mit
angeschlossener Leinenweberei entwickelt hatte.
2.1.2 Luise Hamburger * 1871
Ehemann: Prof. Dr. Franz London * 1863 in Liegnitz, + 1917 in Bonn
Heirat: 1896 in Breslau
Kinder: 1. Fritz * 07.03.1900 in Breslau, + 30.03.1954 in Durham, USA
2. Heinz * 07.11.1907 in Bonn, + 03.08.1970 in Oxford
2.1.3 Dr. Anna Hamburger * 05.06.1873 in Breslau
+ 20.01.1942 in Berkeley, County Alameda/USA
2.1.4 Dr. Clara Hamburger * 05.06.1873 in Breslau
+ 05.08.1945 in Berkeley, County Alameda/USA
Die Zwillingsschwestern Anna und Clara Hamburger besuchten gemeinsam von Ostern 1880 - Ostern 1889 die städtische Höhere Töchterschule "Augustaschule" in Breslau. Danach trennten sich ausbildungsmäßig und auch berufsmäßig ihre Wege. Erst ab 1903 lebten sie wieder gemeinsam in Heidelberg.
Anna Hamburger
Nach dem erfolgreichen Schulabschluss an der "Augustaschule" nahm sie einige Jahre als Hospitantin an den Fortbildungskursen der Zimpelschen Höheren Töchterschule teil.
Im Winter 1894/95 ließ sie sich im Frauenbildungsverein zu Breslau zur Buchhalterin ausbilden und war von Oktober 1895 bis Januar 1900 als Buchhalterin tätig.
Seit Juni 1898 bereitete sie sich privat auf die Reifeprüfung vor, die sie am 27. September 1900 am Königlichen Realgymnasium zu Reichenbach in Schlesien bestand. Danach studierte sie Chemie, Physik und Mathematik an der Universität Breslau. Das Sommersemester 1903 verbrachte sie in Heidelberg. Am 13. Januar 1903 bestand sie das Verbandsexamen, am 25. April 1906 das Examen rigorosum.
Während ihrer Studienzeit besuchte sie die Vorlesungen und Übungen folgender Professoren und Dozenten:
Abegg, Baumgartner, Bredig, Curtius, Ebbinghaus, Kuno Fischer, Freudenthal, Herz, Hintze, Kneser, Königsberger, Kükenthal, Ladenburg, Landsberg, London, Lummer, Pockels, Rosanes, Sackur, Schäfer, Scholtz, Semrau, Stern, Sturm Thode und Windelband.
Im Jahr 1906 erfolgte ihre Promotion. Der Titel ihrer Dissertation lautete: Über die festen Polyjodide der Alkalien. Breslau: Grass, Barth und Comp.
Clara Hamburger
Nach dem erfolgreichen Schulabschluss an der "Augustaschule" nahm sie an wissenschaftlichen Fortbildungskursen teil. Im Frühjahr 1897 begann sie, sich im pflanzenphysiologischen Institut des Herrn Gehr. Cohn im Anfertigen von wissenschaftlichen Zeichnungen ausbilden zu lassen. Gleichzeitig erhielt sie vom Königlichen Universitätskuratorium die Erlaubnis zur Teilnahme an Vorlesungen.
Bis Herbst 1899 zeichnete sie für verschiedene naturwissenschaftliche Institute Wandtafeln und fertigte für einzelne Professoren Zeichnungen für wissenschaftliche Arbeiten. Nebenbei intensivierte sie ihre naturwissenschaftlichen, insbesondere ihre botanischen Kenntnisse. Vom Herbst 1899 an widmete sie sich speziell dem Studium der Zoologie; bis April 1901 im Zoologischen Institut zu Breslau unter Leitung des Professors Kükenthal. Während des Wintersemesters 1900/01 wurde ihr dort auch eine Assistentenstelle übertragen. Gleichzeitig nahm sie Privatunterricht im Fach Latein.
Seit April 1901 studierte sie an der Universität Heidelberg und bekleidete ab Oktober 1901 die Stelle des zweiten Assistenten am dortigen Zoologischen Institut.
Während ihrer Studienzeit nahm sie an den Vorlesungen und Übungen folgender Professoren und Dozenten teil:
In Breslau: Brefeld, Cohn, Kükenthal, Ladenburg, Pax, Rosen, Stern und Weberbauer.
In Heidelberg: Braus, Bütschli, Ewald, Herbst, Lauterborn, Pfitzer, Salomon und Schuberg.
Am 18. Juni 1903 wurde sie promoviert. Der Titel ihrer Dissertation lautete: Beiträge zur Kenntnis von Trachelius ovum Ehrbg. (Mit Tafeln und Textfig.). Jena: G. Fischer
Während Dr. Anna Hamburger Lehrerin an einer Mannheimer Mädchenschule wurde, schlug Dr. Clara Hamburger die wissenschaftliche Laufbahn ein. Als Kustodin des Zoologischen Museums und Assistentin ihres Lehrers Otto Bütschli führte sie nach dessen Tod 1920 die Edition seiner Schriften fort, stiftete 5.000 Reichsmark zum Ankauf seiner Bibliothek und veröffentlichte selbst zahlreiche Aufsätze zur Protistenforschung, die heute noch von Bedeutung sind. Der Vorschlag Otto Bütschlis, ihr ehrenhalber den Professorentitel zu verleihen, verhallte ungehört.
Während des Ersten Weltkrieges richtete Clara Hamburger die Röntgenstation in der Stadthalle ein, in den zwanziger Jahren kümmerte sie sich um Stipendien und Freitische für Studierende. 1929 war sie in Vertretung des damaligen Institutsleiters Curt Herbst mit der verantwortlichen Leitung des Zoologischen Instituts betraut. Am 17. März 1933 verlor Clara Hamburger ihre Stelle, trotz der Fürsprache von Curt Herbst. Die Entlassung Anna Hamburgers aus dem Schuldienst folgte ein Jahr später.
Zwischen Ende 1939 und Anfang 1940 mussten die Schwestern umziehen in das "Judenhaus", Moltkestr. 1 - 3, von dort wurden sie am Morgen des 22. Oktober 1940 von der Gestapo abgeholt und zum Hauptbahnhof gebracht. Mit weiteren 395 jüdischen Leidensgefährten aus Heidelberg und den umliegenden Landkreisen bestiegen sie den bereitgestellten Eisenbahnzug, der sie zunächst ins unbesetzte Frankreich und nach dreitägiger Fahrt nach Gurs am Fuße der Pyrenäen brachte.. Mit der Ankunft der badischen und pfälzischen Jüdinnen und Juden stieg die Zahl der Internierten von ca. 3.000 auf 10.000. Bis zum Oktober 1941 gab es keine Nachricht von den Hamburger Schwestern. Erst in diesem Monat gab es ein Lebenszeichen. Der Mannheimer Freundin Fritze Walton war es gelungen, Anna und Clara Hamburger freizukaufen und sie zu sich nach Berkeley/USA zu holen. Möglicherweise war auch Richard B. Goldschmidt an der Rettung beteiligt. Er war Claras Vorgänger als Assistent von Bütschli und floh schon 1936 nach Berkeley. In Berkeley starb Anna Hamburger am 20. Januar 1942 und Clara Hamburger am 5. August 1945.
Die Stadt Heidelberg verlegte im Jahr 2013 vor dem Wohnhaus der Schwestern in Heidelberg, Helmholtzstr. 18, Stolpersteine zum Gedenken an Dr. Anna Hamburger und Dr. Clara Hamburger.
Quellen:
- Initiative Heidelberger Stolpersteine
- Lebensläufe aus den Dissertationen von Dr. Anna Hamburger und Dr. Clara Hamburger, zur Verfügung gestellt von Frau Dr. Gisela Boeck (Universität Rostock)
Dr. Clara Hamburger (05.06.1873 - 05.08.1945)
Dr. Clara Hamburger im Labor mit Otto Bütschli
Auszug aus dem Katalog der Uni-Bibliothek Basel - Dissertation von
Dr. Clara Hamburger
(zur Verfügung gestellt von Herrn Adalbert Saurma)
Vorlesungsverzeichnis von 1911/12
(zur Verfügung gestellt von Herrn Adalbert Saurma)
IV. Generation:
2.1.2.1 Prof. Fritz London * 07.03.1900 in Breslau, + 30.03.1954 in Durham, USA
2.1.2.1 Dr. Heinz London * 07.11.1907 in Bonn, + 03.08.1970 in Oxford
Die Brüder Fritz und Heinz London waren beide Physiker. Die Eltern Prof. Dr. Franz London und Luise, geb. Hamburger, lebten seit 1904 in Bonn. Dort war Dr. Franz London als Professor für Mathematik an der dortigen Universität tätig.
Prof. Dr. Franz London (1863 - 1917)
Luise London, geb. Hamburger (geb. 1871)
Beide Brüder studierten Physik. Fritz London emigrierte 1939 in die USA und wurde dort Professor für Theoretische Chemie an der Duke Universität in Durham. 1953 erhielt er eine Professur für Physikalische Chemie, 1941 wurde er Fellow der American Physical Society. Er starb am 30.03.1954 in Durham/USA.
Heinz London übersiedelte nach dem Abschluss seiner Doktorarbeit in Breslau 1934 nach Oxford. Nach Kriegsausbruch wurde er 1940 zunächst als "Feindlicher Ausländer" einige Zeit auf der Isle of Man interniert, dann aber wieder freigelassen, um am britischen Atomprogramm mitzuarbeiten. Im Jahr 1942 erhielt er die britische Staatsangehörigkeit. Er starb am 03.08.1970 in Oxford.
Dr. Fritz London
(07.03.1900 - 30.03.1954)
Grabstein von Dr. Fritz London
Dr. Heinz London
(07.11.1907 - 03.08.1970)
II. Generation: Familie "Albert" Abraham Hamburger - Firmengründer
2.2 "Albert" Abraham Hamburger (Leinenfabrikant) * 1845 in Schmiegel, + 12.04.1901 in Berlin
Ehefrau: Eugenie Löwenthal * 1854 + 02.07.1928 in Berlin
Kinder: 1. Hugo + 03.1895 in Landeshut
2. Felix * 1882 + 08.07.1901 in Berlin
3. Max * 04.11.1887 in Landeshut, + 15.11.1985 in Washington, USA
III. Generation:
2.2.3 Dr. Max Hamburger (Fabrikbesitzer) * 04.11.1887 in Landeshut, + 15.11.1985 in
Washington
Ehefrau: "Katharina" Klara Rosenstock * 11.05.1890 in Berlin, + 17.04.1967 in Ulm
Heirat: 04.02.1918 in Berlin, Scheidung am 14.05.1936
Kinder: 1. Eleonore, verh. Laan * 28.01.1919 in Breslau
2. Gabriele, verh. Donnay * 21.03.1920 in Landeshut, + 04.04.1987 in
Mont-Saint-Hilaire (Canada)
3. Alberta, verh. Edwards * 09.10.1926 in Landeshut, + 22.05.2010 in
Long Hill Township, New Jersey (USA)
Die politischen Umstände in Deutschland zwangen die Familie Hamburger 1938, Deutschland
zu verlassen und nach Amerika auszuwandern. Dr. Max Hamburger nannte sich dann dort Max
H. Burger.
Prof. Gabrielle Donnay, geb. Hamburger
(21.03.1920 - 04.04.1987)
Alberta Edwards, geb. Hamburger
(09.10.1926 - 22.05.2010)
Ehefrau Katharina Hamburger nannte sich später Karin Roon. Als begnadete Sängerin war
sie im In- und Ausland bekannt geworden. Geboren wurde sie am 11.05.1890 in Berlin als
Katharina Rosenstock, Tochter des Bankiers und Handelsrichters Theodor Rosenstock und
dessen Ehefrau Paula. Schon früh zeigte sich ihr musisches Talent, so dass sie nach
Abschluss ihrer Schulausbildung Gesangsunterricht in Berlin und Brüssel erhielt. Sie gab
Konzerte im In- und Ausland und gehörte zu den wenigen Sängerinnen, die von Albert
Schweitzer einmal auf der Orgel begleitet wurden. Mit ihrer ungewöhnlichen schönen
Mezzosopranstimme begeisterte sie ihr Publikum.
Seit ihrer Eheschließung mit Dr. Max Hamburger war Landeshut ihre neue Heimat geworden.
Hier bewohnte sie mit ihrer Familie ein großes Haus auf der Bahnhofstraße und den nach ihr
benannten Katharinenhof in Neuen.
Die Familie des Handelsrichters Carl Theodor Rosenstock
(Quelle: MyHeritage)
Katharina Hamburger, geb. Rosenstock (Karin Roon)
In Landeshut und Umgebung wurde sie nicht nur durch ihre Konzerte bekannt. Ähnlich wie Else
Hamburger, die Ehefrau des Stadtrates Max Hamburger, engagierte auch sie sich auf sozialem
Gebiet. Besonders die Betreuung der Arbeiterinnen der Fa. Hamburger war ihr eine
Herzensangelegenheit. Hier kam ihr die Gesangsausbildung zugute. Mit Hilfe eines besonderen
Übungssystems verschaffte sie den Arbeiterinnen neue Lebenskraft im Sinne einer Muskel- und
Kräfteregeneration. Dieses System entwickelte sie später konsequent weiter, so dass sie im Jahr
1949 das Lehrbuch "Neue Wege der Lebenserhaltung" herausgab, welches in sieben Sprachen
übersetzt wurde. Auch körperlich behinderte Kinder und Schauspieler profitierten davon. Seit
Anfang 1950 reiste sie Jahr für Jahr durch Europa, um durch Vorträge im Rundfunk mit Hilfe
ihrer Methoden alternden Menschen, überbeschäftigten Managern und körperbehinderten
Kranken neuen Lebensmut und damit verbunden auch neue Kräfte zu vermitteln. Im April 1967
sollte in Ulm ein Film gestaltet werden, der den Zweck hatte, den Bewohnern von Altersheimen
durch das Vorführen von Übungen zu zeigen, wie man seinen Körperzustand erhalten und die
Beschwerden des Alterns ausgleichen könne. Aus diesem Grund hielt sie sich in Ulm auf und
verstarb während dieser Arbeiten völlig unerwartet. Die politischen Umstände hatten die
Familie Hamburger im Jahre 1938 zur Emigration in die Vereinigten Staaten von Amerika
gezwungen. Katharina Hamburger nannte sich seit dieser Zeit Karin Roon und lebte in New
York.
II. Generation: Familie Rosa Hamburger
2.3 Rosa Hamburger * 1846 in Schmiegel, + 19.10.1913 un Breslau
Ehemann: Max Baerwald (Kaufmann) * 04.11.1836 + 02.12.1878
Kinder: 1. Martin * 31.05.1870 in Bromberg, + 1945 in Manila
2. "Paul" Zacharias * 13.12.1872 in Bromberg, + 23.03.1940 in Breslau
3. Lea * 07.06.1874 in Bromberg
4. Ernst * 02.09.1876 in Bromberg, + 29.03.1967
III. Generation:
2.3.1 Martin Baerwald * 31.05.1870 in Bromberg, + 1945 in Manila
Ehefrau: Elsa Fränkel * 1878 + 19.11.1937 in Breslau
Kind: Hans Georg * 05.04.1904 in Breslau
2.3.2 "Paul" Zacharias Baerwald * 13.12.1872 in Bromberg, + 23.03.1940 in Breslau
2.3.3 Lea Baerwald * 07.06.1874 in Bromberg
Ehemann: Moritz Raphael (Mühlenbesitzer) * 1860, + 07.12.1910 in Breslau
2.3.4 Ernst Baerwald * 02.09.1876 in Bromberg, + 29.03.1967
Ehefrau: Florence Martin * 11.05.1869
II. Generation: Familie Hulda Hamburger
2.4 Hulda Hamburger * 04.07.1849, + 17.08.1923 in Breslau
Ehemann: Louis Frankenstein (Kaufmann) * 20.07.1843 in Landeshut, + 31.01.1920 in Breslau
Heirat: 25.04.1873 in Breslau
Kinder: 1. Johanna * 14.03.1874 in Landeshut, + 31.10.1950
2. Lucie * 23.11.1875
3. Kurt * 17.10.1877
Die Familie Frankenstein lebte bereits Anfang des 19. Jahrhunderts in Landeshut. Dieser
Familie gehörte eine Leinenfabrik, die Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet wurde. Zwischen
1895 und 1911 wurde sie wohl aufgegeben. Auf dem alten jüdischen Friedhof in Landeshut sind
noch mehrere Grabsteine der Familie Frankenstein erhalten geblieben.
III. Generation:
2.4.1 Johanna Frankenstein * 14.03.1874 in Landeshut,
+ 31.10.1950 in Homewood - Illinois/USA
Ehemann: Richard Friedländer * 14.03.1867 in Oppeln, + 20.12.1929 in Berlin
Heirat: 03.05.1896 in Landeshut
Kinder: 1. Werner * 12.06.1899 in Oppeln
2. Wilhelm * 09.04.1904 in Oppeln
3. Fritz * 12.01.1906 in Oppeln
Die Familie Friedländer gehörte damals in Oppeln zu den wohlhabendsten und sehr
angesehenen jüdischen Familien. Richard Friedländers Großvater Marcus hatte im Jahre 1824
die Schlossbrauerei gegründet, die später von dessen Sohn Siegfried geleitet wurde. Dieser
war zugleich auch Ratspräsident. Richard Friedländer war nach dem Tod seines Vaters
Siegfried Generaldirektor der Brauerei. Darüber hinaus war er Besitzer eines Zementwerkes
und Mitbesitzer mehrerer anderer Unternehmen. Mitte der 1920er Jahre zog er mit seiner
Familie von Oppeln nach Berlin - Charlottenburg. Dort war er in Berlin als Vorsitzender der
Deutschnationalen Volkspartei politisch tätig.
Verlobungsanzeige Johanna Frankenstein
und Richard Friedländer
2.4.2 Lucie Frankenstein * 23.11.1875 in Landeshut, + 07.12.1914 in Stettin
Ehemann: Dr. med. "Franz" Louis Ehrlich * 13.05.1869, + 01.04.1943 in Lublin-Majdanek
Heirat: 1899 in Landeshut
Kinder: 1. Max * 09.12.1900 in Stettin, + 01.10.1965 in Utica/USA
2. Annemarie * 18.03.1903 in Stettin
Verlobungsanzeige von Lucie Frankenstein und Dr. Franz Ehrlich
Sanitätsrat Dr. med. "Franz" Louis Ehrlich (13.05.1869 - 01.04.1943)
(Quelle: MyHeritage)
Geburtsanzeige von Sohn Max
Geburtsanzeige von Tochter Annemarie
Nach dem frühen Tod seiner Ehefrau Lucie heiratete Sanitätsrat Dr. Franz Louis Ehrlich noch zweimal. Auch seine 2. Ehefrau wurde ihm durch den Tod entrissen. Gemeinsam mit seiner 3. Ehefrau wurde er in das Lager Majdanek deportiert und dort ermordet.
2.4.3 Dr. med. Kurt Frankenstein * 17.10.1877 in Landeshut, + 1937 in Bonn
Ehefrau: "Susanne" Margarete Edel * 16.02.1884 in Berlin, + 21.03.1943 in Theresienstadt
Heirat: 09.10.1913 in Berlin
Kinder: 1. Joachim * 26.09.1914
2. Maria * 15.03.1919
Dr. Kurt Frankenstein begann nach seinem Schulabschluss ein Studium der Medizin und
spezialisierte sich auf Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Nach der Promotion absolvierte er
einen zweijährigen Militärdienst und arbeitete danach als 1. Assistent an der Universitätsklinik
in Kiel. 1907 erhielt er eine Anstellung als Chefarzt der Gynäkologischen Klinik in Köln-Kalk.
Im Ersten Weltkrieg wurde er zum Militärdienst eingezogen. Für seine Verdienste im Feld
erhielt er mehrere militärische Auszeichnungen.
Trotz der evangelischen Religionszugehörigkeit der gesamten Familie Frankenstein wurde sie
ab 1933 verfolgt. Auch Kurt Frankensteins Militärdienste schützten ihn und seine Familie nur
bedingt vor Verfolgung. Bereits wenige Wochen nach der Machtübernahme der
Nationalsozialisten wurde er vom ärztlichen Direktor der Klinik aufgefordert, wegen des
"Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" seine Entlassung einzureichen. In
den folgenden Jahren führte er noch stundenweise eine Frauenarztpraxis in seinem
Wohnhaus am Kaiser-Wilhelm-Ring 24. Am 16. Mai 1937 verstarb er im Alter von 59 Jahren an
einer Sepsis. Nach seinem Tod musste die Familie in eine kleinere Wohnung umziehen. Beide
Kinder emigrierten 1939, der Sohn mit seiner Frau über Schottland in die USA, die Tochter
nach England. Susanne Frankenstein konnte sich nicht zur Flucht durchringen und blieb
alleine in Köln zurück. Sie erhielt in dieser Zeit Unterstützung von der ehemaligen
Haushälterin der Familie. 1942 musste sie in das Deportationslager in Köln-Müngersdorf
umziehen, von dort wurde sie am 15. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie
starb am 21. März 1943 im Ghetto. Vor ihrer Deportation übergab sie ihren Helfern die
Familiendokumente, darunter Fotografien, Urkunden und Briefe. Darunter befindet sich auch
ein kleines Haushalts- und Tagebuch, das sie in ihren letzten Jahren in Köln führte. Das von
ihr handschriftlich auf der ersten Seite eingetragene Zitat von Friedrich Schiller vermittelt
eindrücklich ihre Gefühlswelt in dieser Zeit: "Man kann uns niedrig behandeln, nicht
erniedrigen." Zur Erinnerung an die Familie Frankenstein ließ die Stadt Köln vor ihrem
früheren Wohnhaus Stolpersteine verlegen.
Dr. Kurt Frankenstein mit seiner Ehefrau und Sohn Joachim
Die "Stolpersteine" für die Familie Frankenstein
II. Generation: Familie "Karl" Zacharias Hamburger
2.5 Dr. "Karl" Zacharias Hamburger (Rechtsanwalt und Notar, Justizrat)
* 09.07.1860 in Breslau, + 07.10.1914 in Berlin
Ehefrau: Margarete Levy * 02.02.1869 in Fraustadt, + 03.03.1941
Heirat: 28.06.1888 in Berlin
Kinder: 1. Hans Ludwig * 05.08.1889 in Berlin, + 14.08.1956 in Köln
2. Georg * 10.04.1891 in Berlin, + 03.08.1944 in Theresienstadt
3. Magdalene Hedwig * 20.11.1896 in Berlin + 21.11.1896 in Berlin
III. Generation:
2.5.1 Prof. Dr. Hans Ludwig Hamburger * 05.08.1889 in Berlin, + 14.08.1956 in Köln
Obwohl in einem jüdischen Elternhaus geboren, wurde er ebenso wie sein Bruder evangelisch
getauft. Nach Abschluss der Schulausbildung studierte er in Berlin, Lausanne, Göttingen und
München Mathematik und Physik. Im Mai 1914 promovierte er bei Geheimrat Prof. Dr.
Pringsheim in München. Nach seiner Militärzeit während des Ersten Weltkrieges habilitierte er
an der Universität Berlin und war anschließend zuerst als Privatdozent und ab 1922 als
außerordentlicher Professor tätig. Im Jahre 1924 folgte er einem Ruf nach Köln als ordentlicher
Professor auf den II. Mathematischen Lehrstuhl und Direktor des Mathematischen Instituts.
1935 wurde ihm die Lehrbefugnis entzogen., was das Ende seiner Arbeit am Mathematischen
Institut in Köln bedeutete. Zusammen mit seiner Mutter zog er daraufhin nach Berlin. Im Jahre
1939 verließ er Deutschland und reiste nach Großbritannien, wo er 1941 eine neue Anstellung
fand. Nach Kriegsende bemühte sich die Philosophische Fakultät um seine Rückkehr. Er sagte
zunächst zu und erhob in einem Brief an den Kölner Rektor Anspruch auf seinen alten
Lehrstuhl, entschied sich dann aber für eine Gastprofessur an der Universität Ankara. Im
Rahmen der gesetzlichen Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts wurde er am
11.08.1953 wieder zum ordentlichen Professor für Mathematik und Direktor des
Mathematischen Instituts in Köln ernannt. Bereits drei Jahre später verstarb er in Köln.
2.5.2 Dr. Georg Hamburger * 10.04.1891 in Berlin, + 03.08.1944 in
Theresienstadt
Wie sein Vater Karl studierte auch er nach Abschluss seiner Schulausbildung Jura in Berlin
und Bonn. Im Jahre 1919 erhielt er die Zulassung als Rechtsanwalt und im Jahre 1927 die
Bestellung zum Notar, die ihm aber 1935 wieder entzogen wurde. 1938 wurde ihm die
Ausübung des Berufes verboten. Er wurde nur noch als "Konsulent" zur Rechtsberatung für
Juden zugelassen. Ab September 1941 musste er sichtbar den sog. "Judenstern" tragen.
Dass er bis 1938 als Rechtsanwalt und dann noch als "Konsulent" arbeiten durfte, hat wohl
auch ihn, wie viele seiner Leidensgenossen, die Gefahr nicht richtig erkennen lassen. Als er
sich 1940/41 um Emigration bemühte, war es bereits zu spät. In der Dahlemer Gemeinde ließ
er sich als Laientheologe ausbilden. Am 30.06.1943 wurde er nach Theresienstadt deportiert
und am 03.08.1944 ermordet. Zum Gedenken ließ die Stadt Berlin vor dem Wohnhaus einen
Gedenkstein errichten.