Bethlehem
(Verfasser: Hella Tegeler)
Quellen:
- P. von Lutterotti, Nikolaus: Vom unbekannten Grüssau, Grüssau, 15.11.1928
- Schlesischer Gebirgsbote
Von Grüssau lohnt sich ein Sparziergang in das 1,5 km entfernte Bethlehem. Früher und auch heute ist das mitten Wald gelegene, idyllische Fleckchen Erde eine Besichtigung wert. Schulklassen, Vereine, Tagesausflüger der umliegenden Orte, Sommer- und Wintergäste, alle unternahmen bereits früher einen Ausflug nach Bethlehem.
Aber woher kommt der Name, wie ist diese Oase der Ruhe entstanden? Der unvergessene Pater Nikolaus von Lutterotti hat die Entstehungsgeschichte des schlesischen Bethlehems in seinem Buch "Vom unbekannten Grüssau" eindrucksvoll geschildert, die ich wie folgt in Auszügen wiedergeben will:
"Am 12. Mai 1661 las der große Grüssauer Abt Bernhard Rosa zu Rom in der Basilika Santa Maria Maggiore, dem ehrwürdigsten Muttergottesheiligtum der Welt, die heilige Messe. Dann kniete er mit innigster Andacht vor den Überresten der Krippe des Herrn, die hier in einem kostbaren Schrein verehrt werden. Von diesem Schatz führt die Kirche auch den Namen Maria ad praesepe - Maria von der Krippe. Durch Jahrhunderte feierten hier die Päpste die mitternächtliche Christmette. Abt Bernhard Rosa war von klein auf ein großer Verehrer des Jesuskindes. Heiß stieg im Grüssauer Abt der Wunsch auf, nicht nur die ehrwürdigen Reste der Krippe, nein, auch den Ort selbst zu sehen, an dem das Wort Fleisch wurde. Eine Reise nach Palästina war unmöglich. Zu groß die Entfernung, zu hoch der Kostenpunkt, zu nötig des Abtes Anwesenheit im Kloster, das sich unter seiner starken Hand allmählich vom Kriegselend der Schwedenzeit zu erholen begann. Aber er nahm sich vor, daheim in Grüssau wenigsten ein Abbild der Geburtsgrotte von Bethlehem zu errichten, ein Stück des Palmenlandes Palästina in die kühlen Waldgründe des Riesengebirges zu verpflanzen. Abt Bernhard kam nicht gleich dazu, seinen Plan auszuführen. Es galt vorerst notwendigere Werke zu schaffen. So vergingen zwölf Jahre, bis der Abt an die Ausführung seines Gedankens schreiten konnte, der ihm in stiller Andachtsstunde im marmorstrahlenden Tempel zu Rom aufgestiegen war.
Folgendes Bild zeigt Abt Bernhard Rosa.
Draußen vor den Toren der jüdischen Stadt Bethlehem liegt die Felsengrotte, in der Gott im tiefsten Schweigen der Nacht Mensch wurde. Vor den Toren des Klosters sollte auch das neue Heiligtum erstehen. Dort, wo der Klosterwald ganz nahe an die Abtei heranrückt, war eine kleine Waldblöße. Man nannte damals diesen Teil des Forstes den Kühbusch, da hier das Klostervieh auf die Weide getrieben wurde. Dieses Hirtenmotiv mag den Abt besonders angezogen haben. Uralte Tannen und Fichten recken ihre Wipfel ins stille Blau. Ein klarer Quell speist einen alten Forellenteich, der den klösterlichen Tisch während der langen Fastenwochen mit Fischen versorgte. Die Stille des Ortes ist köstlich. Der Einsiedler, dem das Heiligtum anvertraut werden sollte, fand hier Gelegenheit, in seinem Garten Gemüse anzubauen, die nahe gelegenen Kreuzwegkapellen zu betreuen und den Fischteich zu bewachen.
Der Bau wurde 1674 begonnen. Er wurde von der Maurerkolonie ausgeführt, die der kunstsinnige und baufreudige Prälat nach Grüssau gezogen hatte. An ihrer Spitze stand damals der tüchtige Baumeister Martin Schuppert. Ihm darf man wohl mit Sicherheit den Entwurf der Pläne und die Bauleitung zuschreiben. Als Vorbild diente das Bethlehemheiligtum auf dem Karlshof, einem Stifte der regulierten Augustinerchorherren in Prag. Kaiser Karl IV. hatte dort eine Nachbildung der Geburtsgrotte von Bethlehem nach den Maßen des heiligen Landes ausführen lassen. Im folgenden Jahr 1675 konnte mit der Innenausstattung begonnen werden. Die feinen Gipsstuckarbeiten hat wohl sicher der bayrische Stuckateur Matthias Mayer gearbeitet, der damals für längere Zeit im Dienst des Klosters stand. Im April 1675 wurde der Dreikönigsaltar aufgerichtet, im Mai das Altarbild bestellt. Es war auf eine Kupferplatte gemalt. Im gleichen Monat wurde ein kleines Altarblatt der Hl. Familie auf Leinwand für die Bethlehemkapelle bezahlt. Diese Bilder wurden wahrscheinlich von dem Grüssauer Kunstmaler Martin Leistritz erstellt. Beide Bilder sind heute verschollen.
Am 20 Januar weihte Abt Bernhard drei Glöcklein für die neue Kapelle in Bethlehem. Er gab ihnen die Namen Johannes Baptista, Zacharias und Elisabeth. 1677 malte kein Geringerer als der große Michael Willmann ein kleines Bild für Bethlehem. Leider ist auch dieser Schatz nicht mehr vorhanden. Zur Weihnacht des Jahres 1677 stand bereits die liebliche Krippendarstellung in der Nische. Sie ist ein Werk des Grüssauer Bildhauers Georg Schrötter (Anm.: Heute befindet sich die Krippe im Breslauer Museum). Neben der Kapelle ließ der Abt ein Blockhaus als Klause für einen Wächter errichten. Dieser musste gleichzeitig bei der Instandhaltung des Großen Kreuzweges mithelfen.
Als die neue Grüssauer Abteikirche erbaut wurde (1728 - 1734), erneuerte Abt Benedikt II. Seidel auch die Bethlehemkapelle. Bisher hatte sie eine flache, bemalte Holzdecke. Diese wurde nun durch ein massives Gewölbe mit böhmischen Kappen ersetzt. Die Arbeit dürfte vom Architekten der Grüssauer Klosterkirche, Anton Joseph Jentsch, oder einem seiner Poliere ausgeführt worden sein." Soweit die Ausführungen Lutterottis zur Entstehungsgeschichte in Auszügen.
Nahe der Kapelle, inmitten des fast kreisrunden Forellenteiches, wurde außerdem ein Wasserpavillon errichtet. Dieses Bauwerk hat die Form eines Achteckes und wurde auf Pfähle gestützt, die in den Gewässerboden gerammt wurden. Im 20. Jahrhundert wurden diese Holzpfähle durch eine Stahlbetonkonstruktion ersetzt. Der Pavillon besitzt ein mit Schindeln sowie einem kuppelförmigen Helm aus Blech versehenes Dach. Umgeben ist er von einem hölzernen Laubengang und mit dem Ufer durch eine überdachte Brücke verbunden. Den Mönchen diente er damals als Sommerhaus. Der Bach, durch den der Forellenteich gespeist wurde, erhielt den biblischen Namen "Kidrom". Den Innenraum schmücken Malereien, die in drei Reihen Szenen aus dem Alten Testament darstellen. In der unteren Reihe handelt es sich um Szenen, die mit dem Thema Wasser in Zusammenhang stehen. Die mittlere Reihe stellt Szenen aus der Geschichte des Königs David dar und oben sieht man ovale Büsten der heldenhaftesten Krieger Davids. Über das Entstehungsjahr dieses Pavillons werden in der Literatur verschiedene Auffassungen vertreten. Manche Historiker bezeichnen als Bauherrn Abt Bernhard Rosa (1624 - 1696), andere wiederum führen Abt Innozenz Fritsch (1665 - 1737) an und nennen als Baujahr 1730. Aus diesem Grund lässt sich auch nicht mit Sicherheit feststellen, wer der Maler der wunderbaren Wand- und Deckenmalereien ist, entweder der große schlesische Maler Michael Willmann (1630 - 1706) oder dessen Enkel Georg Wilhelm Neunhertz (1689 - 1749).
Nach der Säkularisation im Jahr 1810 fiel auch Bethlehem dem königlichen Fiskus zu und kam 1815 durch Erbpachtvertrag nebst Schankgerechtigkeit an Peter Scholz aus Hermsdorf grüss., welcher 1834 Besitzer wurde. Im Jahr 1906 erwarb die Stadt Landeshut den Besitz. Sie baute das alte Bethlehem vollständig um und ließ ein neues Gast- und Logierhaus errichten. In dem weit über 1.000 Personen fassenden Garten wurden gleichzeitig große Kolonnaden mit einem Musikpavillon gebaut. Die alten Ansichtskarten zeigen Bethlehem vor dem 1. Weltkrieg.
Nach 1946 fiel Bethlehem in einen langen Dornröschenschlaf, aus dem es nun wieder erwacht ist. Seit etlichen Jahren schon ist Bethlehem für Erholungssuchende wieder geöffnet.
Bethlehem - Restauration und Logierhaus
Bethlehem - Restauration und Logierhaus
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Das Gesellschaftszimmer
Der große Garten
Der Wasserpavillon
Zugang zum Wasserpavillon
(Quelle: Schlesische Nachrichten, Heft Nr. 6/2021)
Innenraum des Wasserpavillons
(Quelle: Schlesische Nachrichten, Heft Nr. 6/2021)
Deckenmalerei
(Quelle: Schlesische Nachrichten, Heft Nr. 6/2021)
Bild von Herrn Frantiszek
Bild von Herrn Frantiszek
Bild von Herrn Frantiszek
Die Lange Allee im Wald von Bethlehem
Kapelle im Wald von Bethlehem
Anzeige aus der Zeitung "Der Bote aus dem Riesengebirge",
Heft Nr. 63/1864.