Alt Reichenau (Stara Bogaczowice)
(Verfasser: Hella Tegeler)
Alt Reichenau liegt elf Kilometer nordwestlich von Waldenburg entfernt. Nachbarorte sind Quolsdorf und Fröhlichsdorf im Nordosten, Bad Salzbrunn und Konradsthal im Südosten, Liebersdorf und Gaablau im Süden, Wittgendorf und Hartmannsdorf im Südwesten und Gießmannsdorf sowie Merzdorf im Westen. Der Ort, 340 - 400 Meter über dem Meeresspiegel, befindet sich am Nordabhang des Sattelwaldes in einer landschaftlich besonders schönen Gegend, eingebettet in ein tiefeinschneidendes Tal des Striegauer Wassers, auch "der Ziel" genannt. Zu Alt Reichenau gehörten noch zwei Kolonien, die nördlich gelegene Krähenkolonie und die südlich gelegene Mühldörfel-Kolonie. Darüber hinaus gab es noch den Gutsbezirk Alt Reichenau, früheres Klostergut, später Oberförsterei Reichenau.
Gegründet wurde Reichenau 1210 unter dem Namen "Richnow" und war 1222 im Besitz des Klosters Heinrichau. Nach der Anlage des Dorfes Neu Reichenau 1263 wurde das bisherige Reichenau als Alt Reichenau bezeichnet. Im Jahr 1292 übergab es Herzog Bolko I. dem Zisterzienserkloster Grüssau. Dessen Abt Petrus I. verzichtete 1389 auf die Scholtisei in Reichenau zugunsten des Andres Withen. Nach dem Tod des Herzogs Bolko II. fiel es 1368 zusammen mit dem Herzogtum Schweidnitz erbrechtlich an Böhmen. Im Jahre 1518 konnte Abt Franz die Scholtisei von den Brüdern Melchior und Hans Bryning für 300 Ungarische Gulden zurückkaufen. Zur Bestreitung der Türkensteuer musste Abt Johannes V. 1547 Alt Reichenau zusammen mit Neu Reichenau, Quolsdorf und Wittgendorf an Hans von Schaffgotsch verpfänden. 1571 kamen die Orte wieder in Klosterbesitz. Ab 1707 war der spätere Grüssauer Abt Innozenz Fritsch Pfarrer des damals gemischtkonfessionellen Stiftsdorfes. Zugleich war er Verwalter der Alt Reichenauer klösterlichen Besitzungen. Auf Anordnung des Abtes Dominicus Geyer erneuerte und erweiterte er die Dominialgebäude. Während seiner Amtszeit als Abt gründete Fritsch in Alt Reichenau die St.-Anna-Bruderschaft und am 25. Mai 1734 legte er den Grundstein für die St. Anna-Kapelle.
Nach dem Ersten Schlesischen Krieg fiel Alt Reichenau zusammen mit dem größten Teil Schlesiens 1742 an Preußen. 1810 wurde das Klostergut säkularisiert. Nach der Neugliederung Preußens gelangte es 1815 an die Provinz Schlesien und gehörte ab 1816 zum Landkreis Jauer. Seit 1874 war die Landgemeinde Alt Reichenau Sitz des gleichnamigen Amtsbezirks, der 1932 in den Landkreis Landeshut, 1933 zu Jauer und 1934 zu Waldenburg kam.
Alt Reichenau galt als Bad- und Sommerfrische und wurde in das "Deutsche Bäderbuch" aufgenommen. Am Ort waren drei Brunnen vorhanden, die St. Annaquelle, der Niederbrunnen und der Mittelbrunnen.
Im Jahre 1932 zählte die Gemeinde Alt Reichenau 1.750 Einwohner.
Quellen:
- Adressbuch des Kreises Bolkenhain 1911
- Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen (Schlesien) - Deutscher Kunstverlag 2005
- Heimatbuch der schlesischen Kreise Jauer und Bolkenhain 1982
- Knie, J. G.: Übersicht der Dörfer, Flecken und Städte der königl. Preuß. Provinz Schlesien, 1845
- Wikipedia
- Zimmermann, Friedrich Albert: Beyträge zur Beschreibung von Schlesien, 5. Band 1785
Blick auf Alt Reichenau mit der evangelischen Kirche.
Blick auf Alt Reichenau mit der katholischen Kirche.
Die katholische Pfarrkirche:
Die katholische Pfarrkirche St. Joseph wurde während der Amtszeit des Grüssauer Abtes Bernhard Rosa durch den Maurermeister Martin Urban 1685 - 1689 errichtet. In den Jahren 1836, 1930 und um 2000 erfolgten umfangreiche Renovierungen.
Der zweigeschossige Hauptaltar mit dem zentralen Kruzifix wird flankiert von der Hl. Maria und dem Hl. Joseph. Darüber befindet sich das Gemälde Mariä Himmelfahrt.
Die katholische Pfarrkirche St. Joseph
(Aufnahme: vor dem Krieg)
Die katholische Pfarrkirche St. Joseph
(Aufnahme: vor dem Krieg)
Blick zum Altar - (Aufnahme: vor dem Krieg)
Die Eingangstür der Kirche
Der Türbogen
MDCLXXXIX = 1689
MDCCCXXVI = 1836
MCMXXX = 1930
Blick zum Altar
Die St.-Anna-Kapelle:
Während seiner Amtszeit als Abt gründete Innozenz Fritsch in Alt Reichenau die St.-Anna-Bruderschaft. Am 25. Mai 1734 wurde der Grundstein für die St.-Anna-Kapelle gelegt. Gebaut wurde sie vermutlich nach den Entwürfen des Klosterbaumeisters Joseph Anton Jentsch. Die Decken-malereien schuf 1736 der Liegnitzer Maler Franz Heigel, den gemalten Altar der Grüssauer Maler Joseph Noepel.
Eine umfangreiche Renovierung der Kapelle erfolgte in den Jahren 1935/1936. Sie befindet sich auf einer Anhöhe in der Ortsmitte.
Die St.-Anna-Kapelle
(Aufnahme: vor dem Krieg)
Die St.-Anna-Kapelle - heute
Die evangelische Kirche:
Die evangelische Kirche wurde in den Jahren 1777 - 1780 an der Stelle des im Jahre 1742 gebauten Bethauses errichtet. Es handelte sich um eine Saalkirche mit zweigeschossigen, umlaufenden Emporen.
Nach 1946 wurde die Kirche dem Verfall preisgegeben und die Ruine später abgerissen.
Links das im Jahre 1742 errichtete Bethaus.
(Quelle: fotopolska)
Die evangelische Kirche mit dem Pfarrhaus.
Innenansicht der evangelischen Kirche.
(Bild von Herrn Eckhard Bieder)
Die evangelische Kirche (Aufnahme: 1995)
(Bild von Herrn Eckhard Bieder)
Die Gastronomie:
Soweit bekannt, gab es in Alt Reichenau früher folgende Gasthöfe:
- Gasthof "Goldener Anker"
- Die Brauerei
- Der "Gerichtskretscham"
- Gasthof "Zum Kronprinz"
Der Gasthof "Goldener Anker" (Besitzer: Martin Engler)
Der Saal im Gasthof "Goldener Anker".
Werbung - Gasthof "Goldener Anker"
Die Brauerei (Besitzer: Alfred Cille)
(Quelle: fotopolska)
Die Brauerei (Besitzer: Alfred Cille)
Die Altdeutsche Bierstube in der Brauerei.
Werbung - Brauerei
Der Gerichtskretscham (Inhaber: Richard Scholz)
Gasthof "Zum Kronprinz" (Besitzer: A. Roß)
Haus Nr. 127 - Werbung
Kolonial-, Wein-, Tabak- und Zigarren-Handlung Louis Schubert
Haus Nr. 135 - Werbung
Baugeschäft und Ziegelei Oscar Schubert
Haus Nr. 280 - Werbung
Zimmermeister, Baugeschäft und Holzhandlung Walter Schubert
Das Auszugshaus von August und Alwine Seidel, Nachfolger Fritz Seidel. (Aufnahme: 1995)
(Bild von Herrn Eckhard Bieder)
Die folgenden Ansichten von Quolsdorf stellte Herr Eckhard Bieder zur Verfügung.
Ansicht von Quolsdorf (Poststempel 11.10.1936)
Ansicht von Quolsdorf (Poststempel 17.11.1938)
Ansicht von Quolsdorf (Poststempel 27.09.1942)
Mühle und Bäckerei Gratzke in Quolsdorf
(Fotografie von einem Wandbild)