Die jüdische Gemeinde in Landeshut
(Verfasser: Hella Tegeler)
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ist über die Geschichte der jüdischen Gemeinde Landeshuts sehr wenig bekannt. Durch einen Erlass vom 17.03.1370 ist aber urkundlich belegt, dass zu dieser Zeit bereits Juden in Landeshut ansässig waren. Danach unterstanden sie dem in Schweidnitz existierenden jüdischen Gericht. Bernhard Brilling führt in seinem Buch über die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens aus, dass die österreichische Regierung 1729 Toleranzämter einführte, die für die Rechtsstellung der Juden sorgen sollten. Eines dieser Ämter hatte seinen Sitz in Landeshut und war zuständig für die Fürstentümer Schweidnitz und Jauer sowie für das ganze Riesengebirge bis nach Hirschberg.
Ende des 18. Jahrhunderts hielt sich seit 20 Jahren der jüdische Bürger Löbel Jablonski in Landeshut auf. Am 21. Juli 1799 wurde er von Pastor John evangelisch getauft. Sein neuer Name war nun: Eman. Traugott Böhm. Dieses Ereignis wurde in den Schlesischen Provinzialblättern bekanntgegeben.
(Quelle: Schlesische Provinzialblätter, Band 30, 8. Stück, August 1799, S. 168 - 169)
Im Jahre 1812 werden in den Landeshuter Gemeindeakten erstmalig mehrere jüdische Familien erwähnt. Diese Tatsache dürfte auf das Inkrafttreten des preußischen Judenedikts vom 11.03.1812 zurückzuführen sein. Dieses Edikt hob das bisherige Schutzverhältnis der Juden auf, machte sie zu Staatsbürgern, gewährte ihnen Niederlassungsfreiheit, Handelsfreiheit und Gewerbefreiheit. Zum Erwerb des preußischen Staatsbürgerrechts waren sie aber verpflichtet, sich bei den Polizeibe-hörden anzumelden und innerhalb von sechs Monaten feste Familiennamen anzunehmen. Damit wurde das Anlegen eines geordneten Personenstandsregisters ermöglicht.
1821 gründete der Kaufmann Joseph Naumann die jüdische Gemeinde. Bis zu seinem Tod am 8. Januar 1870 war er deren erster Vorsteher. Im Jahre 1822 wurde auf dem Wege zum früheren Schlachthof ein eigener Friedhof errichtet. Dieser Friedhof ist heute noch vorhanden. Er befindet sich hinter der Ostwand des katholischen Friedhofs an der früheren Waldenburger Straße (ul. Katowicka) und ist über einen schmalen Fußweg zu erreichen. Mehrere alte Grabsteine aus Sandstein sind erhalten geblieben. Für die Gottesdienste benutzte die Gemeinde zunächst ein gewöhnliches Zimmer, bis sie sich 1826 den oberen Stock des Hauses Friedrichstraße 21 zu einer kleinen Synagoge ausbaute.
Der alte jüdische Friedhof
Der alte jüdische Friedhof
Da sich die Gemeinde ständig vergrößerte, wurde bald der Bau einer größeren Synagoge erforderlich. Die feierliche Einweihung der Synagoge an der Wallstraße erfolgte am 12. Mai 1858. Vertreter der Regierung sowie des Kreises und der Stadt waren anwesend.
Im Heft Nr. 24 der Allgemeinen Zeitung des Judentums vom 7. Juni 1858 wurde über dieses Ereignis wie folgt berichtet: "In der Synagogen-Gemeinde Land(e)shut hat am 12. dieses Monats die feierliche Einweihung des neu erbauten Gotteshauses stattgefunden. Der Chorgesang wurde hierbei von dem Cantor Kambach geleitet, während die Herren Lehrer Walter aus Land(e)shut und Prediger Dr. Rosenfeld aus Hirschberg als Festredner fungierten. Die Feierlichkeit, welche in jeder Beziehung eine sehr erhebende gewesen, hatte sich einer überaus lebhaften Theilnahme von Seiten des Publikums aus der Stadt selbst, wie aus der ganzen Umgegend zu erfreuen. Die Gemeinde Land(e)shut hat ihre neue Synagoge, wie wir hören, ganz aus eigenen Mitteln erbaut, was aber um so verdienstvoller ist, als eben zu dieser Gemeinde nicht mehr als 18 Familien gehören. Der im Jahre 1850 verstorbene Kaufmann Kaskel Frankenstein in Land(e)shut, - ein Mann, dessen Name sich stets in ganz Niederschlesien eines sehr guten Klanges erfreute, - hatte durch ein Legat von 450 Thlrn. den ersten Fond zum Synagogenbau niedergelegt. Daher - und noch aus vielen andern Gründen - ist seiner auch in dem Vortrage des genannten Herrn Walter ganz besonders rühmlich gedacht worden."
Anzeige aus der Zeitung "Jüdisches Anzeigenblatt",
Heft Nr. 13/1862.
Nachdem sich jüdische Einwohner aus den Kreisen Landeshut und Bolkenhain der neuen Synagogengemeinde angeschlossen hatten, erhielt diese 1864 ihre Selbstständigkeit. Neben der Synagoge wurde 1866 ein Gemeindehaus mit Schul- und Sitzungszimmer und einer Wohnung für den Geistlichen errichtet.
Am 16.08.1881 wurde an der früheren Oberstraße (ul. Ksiecia Bolka) ein neuer Friedhof mit Begräbniskapelle offiziell eröffnet, da der alte Friedhof im Laufe der Jahre voll belegt war. Dieser neue Friedhof existiert heute nicht mehr. Auf diesem Gelände befindet sich heute ein Park und eine Kleingartenanlage. Als 1970 der Ziedersee angelegt wurde, war der neue jüdische Friedhof noch vorhanden.
Stadtplan: Ziffer 1) Alter jüdischer Friedhof, 2) Neuer jüdischer Friedhof,
3) Synagoge
(Bild von Herrn Ralph Ruebner, Skokie (Illinois - USA)
Die Begräbniskapelle auf den neuen Friedhof - Zeichnung von Tomasz Duda - (Das Originalbild befindet sich im Niederschlesischen Webereimuseum in Kamienna Gora - Landeshut)
Von dem neuen jüdischen Friedhof sind nur noch Baumreihen erhalten, die die ehemaligen Friedhofsalleen markieren.
(Bild von Herrn Robert Gajda)
Von dem neuen jüdischen Friedhof sind nur noch Baumreihen erhalten, die die ehemaligen Friedhofsalleen markieren.
(Bild von Herrn Robert Gajda)
Im Hintergrund ist die Friedhofsmauer und das Eingangsportal des neuen jüdischen Friedhofs zu erkennen.
(Bau des Ziedersees im Jahre 1970)
(Bild von Herrn Robert Gajda)
Einweihung einer Gedenktafel für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Angehörigen der Gemeinde.
Bericht aus der Zeitung "Israelitisches Familienblatt vom 14.12.1922.
Einweihung eines Gemeinderaumes am 24.05.1934
Bericht aus der Zeitung "Der Israelit" vom 31.05.1934
Zur Erinnerung an F. V. Grünfeld wurde in der Synagoge eine Gedenktafel angebracht.
(Quelle: Archive.org/, zur Verfügung gestellt von Herrn Robert Glowczyk)
Bei Erdarbeiten auf dem Standort der ehemaligen Synagoge wurde dieses Fragment gefunden.
Meine Recherchen in Amerika haben ergeben, dass es sich hierbei mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um das Teil eines Boden- oder Wandmosaiks aus der Synagoge handelt.
(Quelle: Frau Agnieszka Bialoglowska)
Die Landeshuter Synagogengemeinde setzte sich überwiegend aus Kaufleuten und Industriellen zusammen. Der Vorstand bestand 1932 aus folgenden Personen:
Vorsteher war der Kaufmann Alfred Dobschützer. Die Familie Dobschützer betrieb im Haus Markt Nr. 3 eine Destillation.
Vorstandsmitglieder waren:
1. Kaufmann Leonhard Peritz, Friedrichstraße 18;
2. Kaufmann Siegfried Barasch, Kirchstraße 13;
3. Kaufmann Georg Liebrecht, Wilhelmstraße 4;
4. Prediger Philipp Falkenstein, Wallstraße 22.
Während der Kreis Landeshut im Jahre 1910 noch 103 Einwohner jüdischen Glaubens hatte, lebten im Jahre 1937 nur noch 54 jüdische Bewohner. Eine Anfrage der Parteizentrale in Breslau vom 10.11.1937 beantwortete der Landeshuter Bürgermeister am 30.11.1937 wie folgt: "Z. Zt. sind hier 54 Juden wohnhaft. 17 Juden sind selbständige Unternehmer, 6 Juden sind als Angestellte tätig, 1 als Lehrling. 6 jüdische Familien haben je 1 Kind und eine Familie 2 Kinder. 14 Grundstücke, 1 Schuh-fabrik und eine Wäschefabrik befinden sich in jüdischen Händen. Außerdem besteht hier eine Synagoge und 1 Wohnhaus für den Prediger." (Dieses Schreiben befindet sich im Staatsarchiv in Jelenia Góra).
Im Jahre 1939 wohnten nur noch 14 jüdische Einwohner in Landeshut. Die Synagoge wurde am 09.11.1938 während der schrecklichen "Kristallnacht" ein Raub der Flammen.
Quellen:
- Brilling, Bernhard: Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens, Verlag W. Kohlhammer 1972
- Heimatbuch des Kreises Landeshut i. Schl. hrg. von E. Kunick. Landeshut 1929
Wer kann zu diesem Bild nähere Angaben machen?
An welchem Ort hat diese Veranstaltung stattgefunden?
(Bild von Frau Gerda Dykmans, geb. Wolff, Gent in Belgien)
Statut des Synagogen-Bezirkes Landeshut
Der Synagogen-Bezirk Landeshut mit dem Hauptsitz in Landeshut umfasste die Kreise Landeshut und Bolkenhain. Am 30. Oktober 1863 wurde folgendes Statut beschlossen.
(Quelle: Staatsarchiv Jelenia Góra)